In der dritten Runde zeigten sich die Akteure weiter in Kampflaune. Vier Partien wurden nicht vor dem 50sten Zug beendet. Das wollen die Leute sehen. Dem Holländer Erwin L´Ami gelang dabei gegen das indische Wunderkind Negi der erste Sieg.

In Malmö begann vorgestern die 15. Auflage des Sigeman & Co. Turniers. Es wird, wie es bei diesem Turnier Tradition ist, grosses Kampfschach geboten und so verwundern die sieben entschiedenen Partien nach zwei Runden überhaupt nicht. Gestern gelang dem schwedischen Vorzeige-Matador Jonny Hector ein schöner Schwarzsieg gegen Jan Timman.

GM Roland Schmaltz ist mittlerweile 32 Jahre alt, alive and rockin und nach eigenen Angaben immer noch nicht vergeben. Die letzte aktuelle Elo-Zahl aus dem Jahr 2005 beträgt 2554 und hat sich seitdem auch nicht mehr verändert. Er war mal ´ne ziemlich grosse Nummer im Internet-Schach – alias Hawkeye – und hat über dieses Thema 2002 auch ein Buch mit dem Titel „The complete Chess Server guide“ geschrieben. Die Kritik überhäufte ihn zwar mit Lob, der erhoffte finanzielle Erfolg blieb aber aus.

GM Roland Schmaltz ist vierfacher Bullet-Weltmeister (1-Minuten-Blitz), lebt inzwischen in Brisbane (Australien) und hat sich mehr oder weniger vom Schach zurückgezogen.

Entwicklungsvorsprung gewährte er einen tieferen Einblick in sein jetziges Leben.

EV:
Roland, viele wissen, dass du inzwischen in Down Under lebst, aber die wenigsten kennen die Gründe. Erläutere uns doch mal die Umstände, die dazu führten, deiner Heimat den Rücken zu kehren?

Das ist eine lange langweilige Story, die irgendwas mit einer Ex-Freundin zu tun hat und auch nicht weiter von Interesse ist. Ich lebe in Brisbane, hat bestimmt kaum jemand schon mal gehört. Das einzige, was hier jemals das Interesse der Weltöffentlichkeit erregte, war die Expo 1988. Mittlerweile hat sich die Stadt aber zur drittgrössten Australiens entwickelt und boomt noch immer. Als ich herkam, habe ich erstmal Schach an den Schulen unterrichtet. Allerdings ist das ziemlich „hopeless“, wenn man die Kids hier die Klötzchen einstellen sieht. Keine Klasse voll Kinder, die nicht mal richtig mit König + Dame vs König Mattsetzen kann, braucht einen Grossmeister als Lehrer. Deshalb habe ich das Ganze nach ein paar nervenaufreibenden Stunden auch sein lassen.

Brisbane
EV:
Vermisst du Deutschland?

Etwas. Hier ist es schon ganz dufte, aber so ein paar Sachen vermisst man dann doch. Da wäre z.b. schnelles Autofahren (hier max. 110-¦gähn) und dass man 24h Bier an jeder Tanke kaufen kann.

EV:
In der globalen Schachszene bist du besser bekannt als „Hawkeye“, einer der besten Bulletspieler der Welt. Bist du eigentlich im ICC oder auf einem anderen Server noch aktiv?

Nein, hab genug gespielt in den letzten 17 Jahren. Ab und zu zieh ich mir noch die Schach-News rein oder lass mich von Fritz verprügeln. Aber das wars dann auch schon.

EV:
Du hast das Schachspiel mehr oder weniger an den Nagel gehängt, warum?

Vom Schach habe ich mich mittlerweile zurückgezogen wegen mangelnden Wettbewerbs und den daraus geringen Verdienstmöglichkeiten hier in Brisbane. Wie man sich vielleicht auch selber denken kann, sind die Australier nicht gerade die grössten Schachfans. Wenn man hier etwas werden will, muss man schon Football spielen oder tierisch gut surfen können. Allerdings spiele ich manchmal dann doch noch so zum Spass für meinen Club Bullwinkel. Dieser besteht eigentlich nur aus Amateuren und drei richtig netten, scharfen Mädels, die wissen wie die Figuren ziehen. Ein Beweisfoto kann ich hierzu leider nicht liefern. Deshalb nur dieses Bild von der letzten Runde der Brisbane-Club-Meisterschaft als Beweis, dass hier überhaupt Schach gespielt wird!

Chess in Brisbane

EV:
Dich hat wie viele andere Spieler aus der Schachszene der Pokervirus befallen. Beschreibe doch mal deine Erfahrungen, die Du damit gemacht hast.

In der Tat hat mich der Pokervirus befallen. Pokern boomt hier seit 2005 so richtig, nachdem Joe Hachem (ein Australier) die World Series of Poker gewonnen hatte. Seitdem denken viele, dass Sie das genauso gut können und versuchen sich hier im Casino. Da das Casino hier so das ziemlich einzige im Umkreis von 1000 Kilometern ist, welches 24h offen hat, nennt man die Stadt hier auch gerne BrisVegas. Mit Pokern werde ich hier auch erstmal weitermachen, um meinen sehr relaxten Aufenthalt zu finanzieren. Es erstaunt mich doch, wie man mit so wenig Aufwand eigentlich gutes Geld verdienen kann. Ganz anders als im Schach wo man jahrelang ackern muss, um wenigstens etwas Kohle zu schaufeln.

Casino
(Casino)

EV:
Australien ist jedem als wunderschönes Reiseziel bekannt, aber wie es sich dort lebt, weiss kaum jemand. Schildere uns doch mal deine Erfahrungen aus erster Hand, auch jene mit den Australiern selbst?

Dieses Land bietet in der Tat viele Reisemöglichkeiten. Zum einen kann man den „australischen Weg“ gehen und sich jedes Wochenende bei einem Barbecue (Grillsession) die Kante geben oder das Umland hier erforschen. Für Europäer gibt es hier unendliche Weiten zu entdecken. Es ist wirklich faszinierend wie man hier im Landesinneren durchs stundenlange Nichts fahren/ fliegen kann, ohne dass sich merklich etwas an der Wüstenlandschaft verändert. Richtig was zu sehen gibt es hier in Australien nur an der Ostküste. Vor allem die grösste Sandinsel der Welt, Fraser Island, ist mehr als nur einen Besuch wert. Auf der Insel geht es nur mit 4-Rad-Antrieb im Jeep voran. Strassen gibt es da nicht, nur ein paar freigeräumte Wege durch den Wald. So das ziemlich beste was man hier unternehmen kann. Natur, echtes Abenteuer pur und Party im Zeltlager. Sehr empfehlenswert!
Zu den Australiern muss man sagen, dass sie ein unheimlich nettes und aufgeschlossenes Volk sind. Die sind so nett, dass es manchmal schon nervt! Es gibt Tage, da wünscht man sich von einer mies gelaunten Aldi-Verkäuferin angeschnauzt zu werden, nur weil man fragt wo die Milch steht-¦ Aber alles in allem sind Australier sehr locker (muss am Wetter und den Mädels liegen) und ich habe hier auch schon eine Menge Freunde gefunden.

EV:
Du bist in den letzten Jahren viel gereist: Neuseeland, Thailand etc. Gibt es einen Ort, der dich besonders fasziniert hat?

Wenn man mal das Land verlassen will, gibt es nicht viel im näheren Umkreis ausser Neuseeland. Wer auf einsame Natur ohne Action steht, ist hier genau richtig. Für ein Party-Huhn wie mich allerdings zu öde. Die meisten Australier bevorzugen Bali als nächstentferntes Urlaubsziel (7,5 Stunden Flug). Mich zieht es aber eher nach Thailand (11 Stunden Flug, ja hier gibts nix einfach so um die Ecke) falls ich hier von dem ganzen Unfug mal zuviel habe und etwas Urlaub von dem ganzen Urlaub brauche. Schöne Strände, billig und lecker futtern und Party jeden Abend. Da lässt es sich aushalten!

Thailand
EV:
(Mal ne blöde Frage) Bist du schon mal einem Känguru oder einem Koala begegnet?

Es ist nur ein Gerücht, dass jeder Australier drei Kängurus und vier Koalas als Haustiere hält. Die meisten Kängurus sieht man hier eigentlich nur tot am Strassenrand liegen und sind in den meisten Gegenden hier eine gefährliche Plage für Autofahrer. Koalas haben natürlich alle zum Knuddeln gerne und hier in Brisbane gibt es auch ein sehr schönes Koala-Sanctuary (Gehege), wo man das stinke kleine Knuddelvieh auch auf den Arm nehmen darf.

Koala

EV:
Dein früherer Verein OSC Baden-Baden ist wieder Deutscher Meister geworden. Verfolgst Du eigentlich noch die Szene und möchtest Du vielleicht Deinen alten Kameraden auf diesem Wege gratulieren?

Ja, ab und zu schaue ich mir die Ergebnisse an. Herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Meistertitel 2007 -¦ ohne mich als Handicap ist es halt doch einfacher!

EV:
Zum Schluss ein kleiner Ausblick: Wie sind Deine Pläne für die Zukunft bzw. können wir wieder mit deiner Rückkehr rechnen? Oder sehen wir dich bald am final table der WSOP?

Bleiben werde ich wahrscheinlich noch weitere 2 Jahre, bis mein Visum ausläuft und was danach kommt, ist offen. WSOP wäre cool, aber ein Haus in Thailand würde erstmal reichen. Wenn nicht, geht es vielleicht zurück nach Deutschland.
So, das war es auch schon aus „Da Unten“.
Grüssen möchte ich alle, die mich noch kennen und vermissen (wohl kaum jemand) und die Leute von meinem früheren Schachklub Baden-Oos.

No worries
Roland Schmaltz
No worries

Als Oppositionspolitiker scheint Garri Kasparov fast schon mehr Aufmerksamkeit zu erregen als Schachweltmeister. Seine Welt-Tournee nach dem Motto „Weg mit Putin“, in Deutschland u.a. bei Beckmann und Christiansen halt machend, endete am Wochenende mit seiner vorläufigen Festnahme bei einer Demonstration gegen die Regierung in Moskau. Das mediale Echo um seine Person ist seit Monaten enorm und es käme einer Sisyphusarbeit gleich, alles über ihn geschriebene auch nur ansatzweise nachzeichnen zu wollen. Anbei möchte ich aber, neben einer kurzen Zusammenfassung auf die jüngsten Ereignisse, auf zwei interessante Artikel hinweisen, die sich mit seiner Person beschäftigen:

Spiegel Online mit einer Zusammenfassung der aktuellen Begebenheiten
SZ über seinen Auftritt bei Beckmann
– Laut Telepolis hat Kasparow keine Chance gegen Putin
– Die junge Welt sieht ihn gar als Marionette Washingtons

Eine denkwürdige Europameisterschaft ist zu Ende gegangen. Da auf anderen Seiten schon über alles berichtet wurde, hier nur die entscheidende Schnellschachpartie zwischen Tkachiev und Sutovsky, die den Wahl-Franzosen (schönes Wort) zum Europameister kürte. Nichts Besonderes aber relevant:

Nach dem Motto Deutsch für Anfänger kann ich es mir zum Abschluss nicht verkneifen, auf die sprachlichen Unzulänglichkeiten, die auf der Turnierseite regelmässig publiziert wurden und zumindest bei mir sowohl Erheiterung als auch Befremden auslösten, hinzuweisen. Folgende Beispiele stammen NUR vom letzten Tag!

Print-Medienpartner Dredner Neuste Nachrichten berichtet ausführlich über die Schach-Europameisterschaft in Dresden.

Erst die Unterstützung zahlreiche Sponsoren, Kooperationspartner und ehrenamtliche Helfer ermöglichte die Durchführung der Schach-Europameisterschaft 2007.

Bei den Damen stand Tatiana Kosintseva bereits nach der zehnten Runde fest.

Fragt sich nur wo und wie.

Gespielt wurden bei diesem Turnier 33 Blitzpartien à fünf Minuten pro Teilnehmer. Die Ausgeschüttet wurde ein Preisfonds in Höhe von 12 000 Euro.

Demnächst hier etwas über das Sigemann und Co. Turnier, da einige nette Bekannte mitspielen, und… surprise, surprise… ein ausführliches Interview mit GM Roland „Hawkeye“ Schmaltz. Ja, er lebt noch!

Gleich 7 Spieler treten morgen im Tiebreak um die Krone des Europameisters an: Jakovenko, Tkachiev, Cheparinov, Sutovsky, Sakaev, Pavasovic und Iljin.

Volokitin konnte dem Druck nicht standhalten und verlor heute mit Schwarz gegen Jakovenko, dem, wenn er morgen auch noch den EM-Titel einheimst, der Schachoskar 2007 kaum noch zu nehmen wäre.

Georg Meier nach 3 Siegen in den letzten 3 Runden mit GM-Norm. Herzlichen Glückwunsch!!!
Marlon Schlawin mit IM-Norm nach 10 Runden. Herzlichen Glückwunsch von dieser Stelle aus!!!

Hier noch ein Beispiel für die tollen Pressemitteilungen auf der Startseite des Turniers!:

Sowohl Andrei Volokitin aus der Ukraine und dem Franzosen Vladimir Tkachiev liegen mit siebeneinhalb Punkten vor. 33 weitere Spieler haben mit sieben Punkten ebenfalls noch Chancen auf den Titel. Sehr wahrscheinlich ist, dass es morgen zum Tie-Break um den Titel und um eine der 29 Qualifikationen für die Weltmeisterschaft kommen wird.

Wenn ich alle Fehler, die innerhalb der letzten knapp 2 Wochen auf der Turnierseite veröffentlicht wurden, hier auflisten würde, hätte ich nichts anderes zu tun. Immerhin wurde erkannt, dass Volokitin doch aus der Ukraine stammt.

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