Auf Hinweis eines Freundes sollte ich mal einen Beitrag schreiben, in dem ich mich freimütig äussere, wie ich mich auf meine Gegner vorbereite. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich etwas Neues mitzuteilen habe, aber vielleicht ist es ja für einige Leser interessant.

1. Vor jeder Partie suche ich in den Datenbanken mit denen ich arbeite, in der neuesten Megabase und TWIC (gesammelte Partien aus The Week in Chess ab Oktober 2003), nach Partien meines Gegners, allerdings nur nach Partien mit der Farbe, die mein Gegner gegen mich haben wird.

2. Ich schaue mir fast nur die Partien an, die mit meinen Varianten übereinstimmen und bereite mich intensiv auf diese Varianten vor. Häufig ist es eine Wiederholung der immerselben Varianten, aber da ich ansonsten keine Theoriekenntnisse mir erwerbe, ausser dass ich Partien nachspiele, vergesse ich sehr schnell, was ich mir da eigentlich anschaue. Ergo: Meine Art mich vorzubereiten, ist häufig auf kurzfristige Erfolge angelegt.

3. Die möglichen Varianten, die aufs Brett kommen können, schaue ich mir in einem weiteren Schritt folgerndermassen an: Ich suche in den genannten Datenbanken nur nach Partien mit den Stellungen, die aufs Brett kommen könnten. Dabei gebe ich in der Suchmaske an, dass nur nach Partien gesucht werden soll, die von Spielern ab einer bestimmten Spielstärke gespielt wurden. Diese Partien schaue ich mir, ich lasse die Engine dabei laufen, genauer an und versuche mein Wissen über die bestimmten Varianten zu vertiefen. Wenn es die Zeit erlaubt, suche ich sogar mit Hilfe der Engines nach interessanten Neuerungen.

4. Ich bin ziemlich enginegläubig und nutze diese also, um Fehler/Verbesserungen in den Partien meiner
Gegner und Fehler/Verbesserungen in den gespielten Partien von starken Spielern zu finden.

5. Zeitlich betrachtet, wenn es die Umstände erlauben, kann so eine Vorbereitung schon mal Stunden dauern, insbesondere wenn es sich um eine kritische Variante handelt, ist aber nicht die Regel.

6. Psychologische Faktoren schliesse ich in meiner Vorbereitung fast komplett aus und konzentriere mich eigentlich nur auf das, was ich gerne aufs Brett bekommen möchte, auch wenn es dem Gegner liegen sollte.

7. Statistische Spielereien, wie sie das Datanbankprogramm, das ich nutze, bietet, interessieren mich kaum. Ich kümmere mich darum, gute Züge in meinen Varianten zu finden. Auch Spielerdossiers erstellen, halte ich nicht für nötig. Das kostet Zeit und der Nutzen ist zweifelhaft.

8. Ein häufiges Argument, das ich höre: „Ach das bringt doch eh nichts, da die Vorbereitung nicht aufs Brett kommt.“ Das mag stimmen, ist aber aber ein schwacher Grund keine Vorbereitung zu betreiben. Alleine die Tatsache, dass die Vorbereitung ab- und an aufs Brett kommt, ist Grund genug, sich vorzubereiten, da dadurch hin- und wieder ein einfacher Punkt eingefahren wird. Ein Beispiel:

Souleidis,Georgios (2413) – Harff,Wilfried (2224) [B32]
Open Oberhausen (4), 22.03.2008


1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 d5

Ich hatte gesehen, dass mein Gegner diese SOS-Variante fast ausschliesslich spielt. Ich hatte sie vorher noch nie gesehen und bereitete mich gründlich vor, so wie ich es beschrieben habe. Wenn ich es nicht getan hätte, wäre die Wahrscheinlichkeit viel grösser gewesen, dass ich viel Zeit verbraucht und dadurch kein überzeugendes Konzept gefunden hätte, zumal die Variante nicht ganz so dumm ist, wie sie aussieht.

5.Lb5 dxe4 6.Sxc6 Dxd1+ 7.Kxd1 a6 8.La4 Ld7 9.Sc3 Lxc6 10.Lxc6+ bxc6 11.Sxe4 e5 12.Ke2 f5 13.Sd2

Hier hatte ich eine Stellung aus meiner Vorbereitung aufs Brett bekommen, die Weiss leichten Endspielvorteil sichert. Das war genug, um die Partie, zumal ich nominell klar besser war, siegreich zu gestalten. Auch für die Vorgängerpartie hatte ich mir etwas zurechtgelegt. Der Rest der Partie kann unkommentiert bleiben, da nicht wichtig für meine Ausführungen.

13…Sf6 13…Ld6 14.Sc4 Lc7 15.b3 Sf6 16.Lb2 0-0-0 17.The1 e4 18.Lxf6 gxf6 19.Tad1 f4 20.Txd8+ Txd8 21.f3 e3 22.Td1 Tg8 23.Kf1 e2+ 24.Kxe2 Txg2+ 25.Kd3 Tf2 26.Tg1 Txf3+ 27.Kd4 Tf2 28.Tg8+ Kb7 29.Tg7 Txc2 30.Sd6+ Kb8 31.Tg8+ Ld8 32.Kd3 Txa2 33.Sf7 f3 34.Ke3 Txh2 35.Sxd8 Tb2 36.Se6+ Ka7 37.Kxf3 Txb3+ 38.Ke4 Tb5 39.Kd4 a5 40.Sc5 Tb4+ 41.Kc3 h5 42.Tg7+ Kb6 43.Sd7+ Kb5 44.Sxf6 h4 45.Th7 Tf4 46.Th5+ c5 47.Sd7 Tf3+ 48.Kc2 h3 49.Sxc5 a4 50.Sxa4+ ½-½ Sokolov,A (2585)-Szabolcsi,J (2377)/Nancy FRA 2004. 14.Sc4 Sd7 15.Td1 Tb8 16.b3 e4 17.Lf4 Tb7 18.Sa5 Tb5 19.Sxc6 Tc5 20.Sd4 Le7 21.c4 g5 22.Lc1 Lf6 23.La3 Te5 24.Ld6 f4 25.Lxe5 Sxe5 26.Tac1 Sd3 27.Txd3 exd3+ 28.Kxd3 Kd7 29.c5 Kc7 30.Te1 Lxd4 31.Kxd4 Td8+ 32.Kc3 a5 33.a3 Td5 34.b4 axb4+ 35.axb4 h5 36.h3 g4 37.hxg4 hxg4 38.Te4 Tf5 39.Kc4 Kd7 40.b5 Tf6 41.c6+ Kd6 42.Td4+ Kc7 43.Td7+ Kc8 44.Tg7 1-0

9. Letztendlich spricht auch der folgende Grund dafür sich vorzubereiten: Irgendwas bleibt immer hängen, auch wenn eine derartige Vorbereitung immer kurzfristig angelegt ist.

Mir gehen gerade noch einige weitere Ideen durch den Kopf, muss aber jetzt los:-), so dass ich vielleicht einen weiteren Artikel zu dieser Thematik schreibe. Über Kommentare würde ich mich freuen, insbesondere wenn andere Schachspieler, ihre Art sich vorzubereiten, preisgeben würden. Auch würde es mich interessieren, wie andere Schachspieler meine Art der Vorbereitung beurteilen.

Kommentare

4 Antworten zu “Wie ich mich auf meine Gegner vorbereite”

  1. David am 29. September 2008, 20:32

    also ich mach das an sich (wenns denn die Zeit erlaubt) so wie Du. Dennoch hätte ich einen Verbesserungsvorschlag, den ich aus Faulheitsgründen jedoch nur selten beherzige: Es macht durchaus Sinn auch kurz die Partien des Gegners mit der anderen Farbe zu überfliegen, um ggf. vielleicht einen Eindruck von ihm zu bekommen und in manchen Fällen sogar festzustellen, dass er womöglich die gleiche Variante, die man gegen ihn vorbereitet, selbst spielt!

  2. Lenfant am 30. September 2008, 10:11

    zu 1. Nach http://www.chesscenter.com/twic/twicp1.html kann man TWIC sogar bis zum 23.11.1998 komplettieren!

  3. Felix Meissner am 30. September 2008, 21:53

    Kann der Vorbereitungsmethode nur zustimmen! Bin aber eher ein Trickspieler der Varianten sucht in denen der Gegner einen Super-Score hat und aus diesem Grund diese nicht weiter analysiert.

  4. Georgios Souleidis am 30. September 2008, 22:44

    Interessante Methode. Merke ich mir.

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