Schach 6/2008

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Die neue „Schach“ ist am Start und sie glänzt mal wieder mit tollen Berichten aus Sofia, Plowdiw sowie Baku und jeweils ausgezeichneten Partieanalysen von diesen Turnieren. Apropos Analysen in Schachzeitschriften, diesem Thema möchte ich mich dieses Mal näher widmen.

Seit dem Aufkommen des Internetzeitalters, ich weiss kaum noch, wie es vorher war, stellen insbesondere die Partieanalysen in Schachzeitschriften für mich ein Problem dar. Man hat sich so sehr an das Durcklicken der Partien auf verschiedenen Internetseiten gewöhnt, so dass der Aufbau von Brett und Figuren inzwischen ziemlich lästig ist und zeitraubend erscheint. Meines Erachtens ist es aber unerlässlich, diesen Weg zu gehen, wenn man den Kommentaren der Top-Grossmeister sinnvoll folgen und die Partien bzw. Stellungen besser verstehen möchte.

Z.B. analysiert in der aktuellen Ausgabe Emil Sutovsky seine Partien gegen Pantsulaja und Tiviakow (entscheidende Partie um den EM-Titel) auf ganzen neun Seiten. Insbesondere das lehrreiche Endspiel gegen den Georgier ist ohne Ansicht des Brettes kaum nachzuvollziehen. Schachfreunden, die ihre Spielstärke verbessern wollen, kann ich nur raten, sich die Mühe zu machen, die Partien mit Brett und Figuren nachzuspielen. Bei mir scheint Hopfen und Malz verloren zu sein, also nehmt mich nicht als Vorbild. Weitere interessante Analysen liefern Iwantschuk (Schwarzsieg gegen Tscheparinow in Sofia) und Gustafsson (Letztrundensieg gegen Vallejo Pons in Plowdiw, der ihm die Teilnahme am Tiebreak sicherte).

Apropos Jan Gustafsson. Stefan Löffler führte für die neueste Ausgabe ein Interview mit ihm und bloggte etwas über ihn ((Grossmeister des Schnoddertons)), was einige Leser zu kontroversen Kommentaren hinriess. Wie auch immer man zu seiner Person steht, so bin ich der Meinung, dass er einer der wenigen deutschen Grossmeister ist, die sich öffentlichkeitswirksam präsentieren können und nicht nur Befremden auslösen. Weiter zu den Analysen:

Eine gute Methode wählt die Redaktion, seit wann sie das macht, fällt mir aber nicht ein, indem sie Spezialisten einer bestimmten Eröffnung Partien analysieren lässt. So kommentiert der Berliner „Drachenkenner“ Rainer Polzin die erfrischende „Drachenpartie“ Radjabow-Carlsen, die Schwarz gewann. Für Freunde dieser Eröffnung ein absolutes Muss. Es ist eh sehr erfreulich, wie der junge Norweger auf ausgetretenen Theoriepfaden wandelt und „vergessene Eröffnungen“ neu belebt. In seinem Schnellschachmatch gegen Leko in Miskolc ((Schnellschachmatch Leko-Carlsen)) wandte er seine neue Lieblingswaffe gegen 1.e4 wieder konsequent an und konnte damit zwei Mal bestehen, wobei er aber in der zweiten Partie wahrscheinlich auf Verlust stand. Zu guter Letzt analysiert Alon Greenfeld sein Match gegen Henrique Mecking, nachdem er die „Schach-Fragen“ beantwortet. Fünf Seiten wirken allerdings etwas abtörnend. Auch wenn die Antworten interessant sind, so liegt die bekannte Würze woanders. Also ruhig auch mal den Rotstift ansetzen.

Die üblichen Rubriken wie „Hohe Schule der Kombinationen“ und „Probleme und Studien“ (mir völlig fremd, aber was heisst das schon) sowie zwei kürzere Turnierberichte runden das ausgewogene Bild der Zeitschrift ab. Wer an einem Abo interessiert ist, wendet sich bitte direkt über den Link an den Verlag. Ein Probeabo ist auch möglich.

Disclaimer: Die Rezension gibt nur die Meinung des Autors wieder. Für etwaige Abonnenements, die über diesen Beitrag getätigt werden, erhält der Autor keine jedweder geartete Provision. Die Vereinbarung besteht einzig und allein in einem Abonnement, das unabhängig von der geäusserten Meinung gewährt wird. Die Zeitschrift Schach untersagt auch keine kritische Meinung, im Gegenteil, sie begrüsst diese sogar.

Kommentare

5 Antworten zu “Schach 6/2008”

  1. SchuBi am 03. Juni 2008, 07:01

    „Schach“ ist seit 1976 meine liebste deutschsprachige Schachzeitung (ab und zu lese ich auch NewInChess). Ansonsten lese ich noch den „Karl“, aber den wegen seines Magazincharakters.

  2. Georgios Souleidis am 03. Juni 2008, 10:49

    „NewInChess“ ist qualitativ das Pendant zu „Schach“. Teilweise findet man aber die gleichen Analysen vor. Abschreckend finde ich auch den Preis. „Karl“ habe ich eher selten gelesen bis jetzt.

  3. Stefan am 05. Juni 2008, 10:25

    Aus meiner Sicht kommt „Schach“ an das journalistische Niveau von NIC nicht heran (insbesondere bei Schachgeschichte und -literatur) — was nicht dramatisch ist. NIC hat sprachbedingt natürlich einen viel grösseren Verbreitungsgrad. Die Partieanalysen der Supergrossmeister werden von diesen selbstverständlich mehrfach verwertet, ich gehe mal davon aus, dass für die „Schach“ die in Englisch geschriebenen Texte übersetzt werden. Ansonsten geht es mir auch so, ich baue ein Brett auf (richtig aus Holz und in 3D!) und versuche die Analysen einigermassen nachzuvollziehen.

    Was ich mir von einer deutschen Schachzeitschrift wünschen würde, wäre ein stärkerer Blick auf das Amateurschach. Die schwedische „Tidskrift för Schack“ hat eine feste Rubrik, in der der Redakteur unterklassige Mannschaftskämpfe besucht und über die teilnehmenden Vereine berichtet. Mich würde manchmal mehr interessieren, was in der sächsischen Landesliga oder der Oberliga Württemberg passiert (natürlich nur exemplarisch), als die x-te Partie zwischen Aronian und Carlsen.

  4. Hijo_Rudicio am 05. Juni 2008, 12:28

    Journalistische Inhalte und Werbung sollten in einem Medium allgemein klar voneinander getrennt werden. In diesem Fall ist dies auf einer sonst von mir sehr gerne besuchten Website sicherlich überhaupt nicht gelungen.

    Der ganze Text – auch wenn Ernst gemeint – liest sich wie ein Werbetext. Der Abspann mit dem Hinweis, die Zeitschrift über entwicklungsvorsprung.de beziehen zu können und die Bannerwerbung für „Schach“ machen zudem deutlich, dass der Autor in diesem Zusammenhang auch wirtschaftliche Interessen verfolgt.

    Ich hoffe, dies bleibe eine Ausnahme, und die Besucher der Seite müssen nicht auch noch hier (wie bei anderen deutschen Schachseiten) selber zwischen Werbung und Content unterscheiden.

  5. Georgios Souleidis am 05. Juni 2008, 14:34

    @Hijo_Rudicio: Ich werde es mir zu Herzen nehmen.

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