Analyse Topalov-Kramnik

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In der neunten Runde von Wijk aan Zee ((Turnierseite)) schlug Topalov seinen Freund Kramnik in sehenswertem Stil. Nachdem die beiden vor der Partie das Händeschütteln vergassen, gelang Veselin dank einer seit drei Jahren vorbereiteten Neuerung durch seinen Sekundanten Ivan Cheparinov ein kleines Meisterwerk. Nach der Partie erläuterte der Sieger seine Partie in der Pressekonferenz ((Video der Pressekonferenz auf Chessvibes)) und wies auf einige Feinheiten hin, die das Team Topalov in petto hatte. Allerdings ist ihm während der Partie eine Kleinigkeit entgangen, die den Ausgang der Partie vielleicht noch zu seinem Ungunsten hätte verlaufen lassen können.

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Topalov – Kramnik [D43]
CCT 2008 Wijk aan Zee, 2008

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6 5.Lg5 h6 6.Lh4 dxc4 7.e4 g5 8.Lg3 b5 9.Le2 Lb7 10.0-0 Sbd7 11.Se5 Lg7

Diagramm 1

12.Sxf7!?N Was für ein Zug! Weiss opfert den Springer, um den schwarzen König kein ruhiges Plätzchen zu gönnen. Das weisse Konzept ist auf lange Sicht angelegt. Die schwarze Spielweise erleidet in Wijk aan Zee ein wenig Schiffbruch. Radjabov gewann in der ersten Runde schon gegen Anand und Kramnik (mit Weiss!) gegen Aronian. Allerdings wählten beide den Hauptzug 12.Sxd7. 12…Kxf7 13.e5 Sd5 14.Se4 Ke7 15.Sd6 Db6 16.Lg4 Taf8 17.Dc2 Topalov weist in der Pressekonferenz darauf hin, dass es sich an dieser Stelle um eine der kritischen Stellungen handelt, die sein Sekundant Ivan Cheparinov analysiert hat. Die weisse Dame droht über g6 konkrete Drohungen gegen den schwarzen König aufzustellen.

Diagramm 2

17…Dxd4?! Laut Topalov ein Fehler, da Weiss danach die Figur zurückgewinnt und nur mit einem Minusbauern die weitere Partie bestreiten muss. Rein psychologisch fühlte er sich hier schon auf der Siegerstrasse. 17…Thg8 war der Hauptzug, den das Team Topalov analysiert hatte. 18.Dg6 Sc7 19.Dh7 Dxd4 20.Lh5 Sxe5 21.Sxb7 Sd5 22.Tad1 Sd3 23.Ld6+ Kd7 24.Lxf8 Txf8 25.Sc5+ Dxc5 26.Dxg7+ De7 ist eine der möglichen Varianten. Die Stellung bleibt weiterhin sehr kompliziert. Ein klarer Vorteil ist für keine der beiden Seiten in Sicht. 18.Dg6 Dxg4 19.Dxg7+ Kd8 20.Sxb7+ Kc8 21.a4! Stark, Weiss lockert die Struktur am Damenflügel, um eindringen zu können. 21…b4 22.Tac1 c3 Die weisse Dame anzugreifen, hätte nichts gebracht. Nach 22…Tfg8 23.Df7 Tf8 24.Sd6+ Kc7 25.Dg6 Thg8 26.Dc2 c3 27.Tfd1! droht das Turmopfer auf d5 mit Zerstörung der schwarzen Verteidigung. Wahrscheinlich steht hier Weiss klar besser. Z.B. 27…b3 28.Dxb3 Tb8 29.Sb5+! Kd8 30.f3 Df5 (30…Db4 31.Dxb4 Sxb4 32.Sxc3±) 31.Txd5! exd5 32.Dxc3+-. 23.bxc3 b3?! 23…Tfg8 24.Df7 Tf8 25.Sd6+ Kc7 26.Dg6 Sf4!? 27.Dc2! Se2+ 28.Kh1 Sxc1 29.Txc1 und die schwarze Königsstellung ist der entscheidende Faktor. 24.c4 Tfg8 25.Sd6+ Kc7 26.Df7 Tf8

Diagramm 3

27.cxd5! Es war die Zeit gekommen, die Dame zu opfern, meinte Topalov nach der Partie, doch er hatte eine Kleinigkeit übersehen. Auf 27.h3 Txf7 28.hxg4 Sf4 29.Sxf7 Se2+ 30.Kh2 Sxc1 31.Txc1 Tb8 wollte er sich nicht einlassen, da der b-Bauer ihm zu stark erschien. 32.Tb1 b2 33.f4! gxf4 34.Lf2 c5 35.Le1 Tb3 36.a5 hätte aber einfach gewonnen. 27…Txf7 28.Txc6+ Kb8 29.Sxf7

Diagramm 4

29…Te8? Das leistet keinen nennenswerten Widerstand. 29…Dxa4! Diesen Zug hatte Topalov während und nach der Partie in der Pressekonferenz nicht auf der Rechnung und wähnte sich hier schon klar auf der Gewinnerstrasse. Doch die Sache ist gar nicht so simpel. 30.Sxh8 Sb6 und nur durch einige Kraftzüge ist der b-Bauer aufzuhalten. (30…b2? 31.dxe6 Dxc6 32.exd7 Dxd7 33.e6++-) 31.Txe6 b2 32.Txb6+!! Nur das gewinnt klar, da Weiss den Läufer für den Bauer geben kann. (Nach dem „logischen“ 32.h3 Da1 33.Txa1 bxa1D+ 34.Kh2 Sc4! droht Schwarz durch das Mannöver 35…Sd2 und 36. Sf1+ den Weissen vor schwierigen Problemen zu stellen.) 32…axb6 33.e6+ Kb7 34.Le5 b1D 35.Txb1 De4 36.Tf1 Dxe5 37.Sf7 Dxd5 38.h3! h5 39.Te1 Dd2 40.Te4 Dc1+ 41.Kh2 Dc7+ 42.Te5 De7 43.Sxg5 h4 44.f4 und die weissen Freibauern sollten die Partie entscheiden. 30.Sd6 Th8 31.Tc4 De2 32.dxe6 Sb6 33.Tb4 Ka8 34.e7?! Vielleicht die einzige Ungenauigkeit von Topalov in dieser Partie. Diesen gefährlichen Freibauern hätte er nicht einstellen müssen. 34.Txb3!+- hätte den b-Bauern beseitigt und die Partie sofort entschieden. 34…Sd5 35.Txb3 Sxe7 36.Tfb1 Sd5 37.h3

Diagramm 5

37…h5? Stellt den Bauern auf g5 ein. Nach 37…Sf4 hätte Weiss wieder genau rechnen müssen, um den Sack endgültig zu zumachen. 38.Lxf4 gxf4 39.Sb5 Dxe5 40.Tc1 Kb8 (40…Tb8 41.Sc7+ Dxc7 42.Txc7 Txb3 43.Tc4+- hätte ein gewonnenes Turmendspiel ergeben.) 41.Sc7+ Kc8 42.Sa6+ Kd7 43.Tb7+ Kd6 44.Sb4+- 38.Sf7 Tc8 39.e6! droht Matt auf b8! 39…a6 40.Sxg5 h4 41.Ld6! Tg8 42.T3b2 Dd3 43.e7 Sf6 44.Le5 Sd7 45.Se6

Diagramm 6

und Schwarz kann die vielfältigen Drohungen nicht mehr parieren 1-0

Kommentare

10 Antworten zu “Analyse Topalov-Kramnik”

  1. schachdet am 23. Januar 2008, 09:49

    Hab Dank für deinen Hinweis zu 34.e7?!, denn ich hatte beim ersten Nachspielen ebenfalls den Gedanken, dass Txb3 gewinnt, aber, da ich ja nun mal nur mit dem Kleinhirn spiele, natürlich gedacht der grosse Topalov wird es wohl besser gemacht haben.
    Jetzt darf ich wieder 2 Tage vor Freude im Dreieck springen, dass ich tatsächlich (und immerhin ad hoc!) einen guten Zug gesehen habe. (Lediglich der Verdacht, dass selbst wenn ich Txb3 gezogen hätte, mir ein Kramnik das Fell noch wieder unter den Klauen weggezogen hätte, dämpft etwas meinen Überschwang. Mal völlig abgesehen davon, dass mir ein Springeropfer auf f7 nicht in den Sinn gekommen wäre. – wie auch als e4-Spieler…)

    Nun, trotzdem, wirklich eine schön anzusehende, tolle Partie.

  2. Falko Meyer am 23. Januar 2008, 12:09

    „Mal völlig abgesehen davon, dass mir ein Springeropfer auf f7 nicht in den Sinn gekommen wäre. – wie auch als e4-Spieler-¦)“

    Na ja, Hauptvariante spielen, was sonst???

    1. e4 e5 2. f4 exf 3. Sf3 g5 4. h4 g4 5. Sg5 h6 6. der natürliche Zug

    Lang lebe das Königsgambit!!!

    Besten Gruss

    Falko

  3. Georgios Souleidis am 23. Januar 2008, 12:17

    Mein lieber Falko, wann hast du das letzte Mal Königsgambit in einer ernsten Turnierpartie angewandt? In meiner Datenbank datiert diese vom Jahr 2004 und da hättest du gegen den starken Hans Jürgen Schulz beinahe ein Remis geschafft.

  4. Hamburgs langweiligster Schachspieler am 23. Januar 2008, 14:05

    Ich schätze mal, dass Falko seitdem kein Königsgambit mehr in einer Turnierpartie auf dem Brett hatte, allerdings aus dem einfachen Grunde, dass die Gegner aus Respekt vor Falkos gefürchtetem Königsgambit von 1…e5 Abstand genommen haben. (Das Ergebnis der besagten Partie hatte relativ wenig mit der Eröffnung zu tun, sondern eher mit der Tatsache, dass Falko ohne seine geliebten Meyer-Springer nicht seine wahre Spielstärke entfalten konnte.)

  5. Falko Meyer am 23. Januar 2008, 17:44

    Bei dem Turnier habe ich ca. 40 Elopunkte eingestellt, und alles nur, weil ich anstatt mich auf Schach zu konzentrieren die ganze Zeit Chauffeur, Einkäufer und Koch für einen sympathischen Schachfreund spielen musste, der allerdings wohl jetzt meint, als Dank mein schönes Königsgambit durch den Dreck ziehen zu müssen 😉

    Was sagt denn die tolle Datenbank, wie oft ich anschliessend 2. f4 verweigert habe?

  6. Georgios Souleidis am 23. Januar 2008, 17:48

    Tja, und seitdem hast du den sympathischen Schachfreund nicht mehr aufgenommen in deiner Budde 🙂
    Die Datenbank kann ja nicht jede Glanzpartie aus den unteren Ligen speichern.

  7. schachdet am 24. Januar 2008, 12:14

    „Hauptvariante spielen, was sonst??? 1. e4 e5 2. f4 exf 3. Sf3 g5 4. h4 g4 5. Sg5 h6 6. der natürliche Zug“
    Der natürliche Zug ist doch 2. Sf3!

  8. Antikraut am 24. Januar 2008, 13:57

    Schon gesehen? Die Stellung vor 12.Sxf7 hat es auf die Titelseite der FAZ geschafft. Scheinbar braucht es wirklich nur nen Toilettenskandal bei der WM, ums Interesse am Schach in den Medien wiederzubeleben 😉

  9. Georgios Souleidis am 24. Januar 2008, 15:50

    Habe mir die FAZ heute (24.01.08) gekauft. Bin erstaunt über das grosse Titelbild von der Stellung. Schön, dass es Schach auf die Titelseite schafft, auch wenn die Umstände diskussionswürdig sind.

  10. Dein Lieblingsschacher am 24. Januar 2008, 22:28

    Ich nehme an, Drawnik ist vom Stuhl gekippt nach 12. Sxf7. So etwas hatte er wohl nicht mal von Topalov erwartet. Die Imitation von Timman war allerdings nicht so überzeugend…

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