Pünktlich zur Weihnachtszeit präsentiere ich den Lesern ein Geschenk. Meine Patzerzüge aus den letzten Monaten. Leider waren es zwei Partien, die ich in Holland für meinen Verein Homburg Apeldoorn gespielt habe und wo wir beide Kämpfe mit 4,5;5,5 verloren haben. Ausserdem möchte ich den Nachweis antreten, dass ich hier nicht nur die Fehler anderer Spieler aufdecke. Vorhang auf:

Martens, Martin (2409) – Souleidis, Georgios (2421)
1. Holländische Liga, 03.11.2007

Stellung nach 36.Te1:

Diagramm 1

In dieser komplizierten Stellung weiss ich nicht mehr genau wie viel Zeit ich hatte, doch mehr als drei Minuten waren es nicht. 36…Sh5? Das was kommt, hatte ich gesehen, doch ich hatte mehr Angst vor 37.Tf4! Das passiert wenn man sich in Zeitnot befindet. Nach 36…f4! 37.Sxe6 Kxe6 38.exf4 Kf5 hätte Schwarz klar besser gestanden. Der Springer und der König sind ne Macht und der weisse Mehrbauer ist hier völlig irrelevant. 37.Lxe4! fxe4 38.Txf8 Eigentlich war mir klar, dass ich auf f8 wiedernehmen und eine Stellung mit einem Minusbauern verteidigen muss, doch mich ritt der Satan.

Diagramm 2

38…Lxh3?? Was für ein Unsinn. 38…Kxf8 39.Sxe6+ Ke8 40.Sf4 Sg3 41.Sd5± 39.Th8 Lg4 40.Kh2 Kd6 41.Tg1 Sf6 42.Th6 Ke5 43.Txf6 1-0

Souleidis, Georgios (2421) – de Jong, Jan-Willem (2430)
1. Holländische Liga, 15.12.2007

Stellung nach 68…Ke8:

Diagramm 3

Diese Partie spielte ich am letzten Samstag in Holland. Es war die letzte noch laufende des Kampfes HMC Calder gegen Homburg Apeldoorn, meinem Verein. Der Stand 4,5:4,5. Die Bedeutung dieser Partie muss also nicht weiter herausgestrichen werden. Weiss steht natürlich total auf Gewinn. Ich hatte hier noch ca. fünf Minuten, was absolut ausreichend sein sollte, doch bei meiner Suche nach einem forcierten Gewinn, vergass ich die Zeit und „investierte“ noch mal gut drei (!) Minuten in die Stellung. 69.Lg4 a5 70.Kh3 a4 71.Le6 Der Plan war klar. Den König aus dem Schussfeld der gegnerischen Dame bringen und danach Matt setzen. 71.Dd7+ Kf8 72.Le6+- hätte es viel schneller besorgt. Ich war aber hier schon jenseits von Gut und Böse. Um mich herum waren lauter Menschen und ich zog schon länger aus dem Unterbewusstsein heraus. 71…Db5 Uups, er deckt einfach das Feld d7 ab. Hier verlor ich jegliche Kontrolle. Die Stellung ist immer noch forciert Matt, doch ich war in Trance. 72.Df7+ 72.Dc7! nebst Königsmarsch gewinnt schön und forciert. 72…Kd8 73.Df8+ Kc7 74.De7+ Kb6 75.Dxd6+ Ka7 76.Dxe5

Diagramm 4

Das war ja alles noch in Ordnung, doch ich hatte hier nur noch 10 Sekunden für den Rest der Partie! Dass ich überhaupt noch mehr als zehn Züge schaffte, ist Beweis meiner schnellen Finger, aber nicht meines Verstands. 76…Df1+ 77.Kg4 Dg1+ 78.Kf5 De3 79.d6 Dxf3+ 80.Kg6 Dg2+ 81.Kf7 Df3+ 82.Ke7 Da3 83.Da5+ Kb8 84.Dc7+ Ka8

Diagramm 5

Hier konnte ich, es ist leicht ersichtlich, einfach Dauerschach geben. Doch mit drei Sekunden auf der Uhr wollte ich immer noch gewinnen! 85.Ld5 Db4 86.Dxb7+ Dxb7+ 87.Lxb7+ Kxb7 88.d7 Kb6 Und da ich es nicht anders verdient habe, verlor ich in dieser total gewonnenen Stellung auf Zeit. Ich weiss nicht, ob man sich vorstellen kann, wie ich mich hiernach gefühlt habe. Anstatt den entscheidenden Punkt für meinen Verein zu holen, verloren wir diesen wichtigen Kampf, auch durch diesen Quatsch, mit 4,5:5,5. Die Mannschaftskollegen waren ebenfalls enttäuscht, doch machten sie mir keinen Vorwurf. Etwas selbstkritisch waren sie auch, denn keiner schritt ein, um mir mitzuteilen, dass ich einfach Remis machen soll. Wie auch immer, ich hoffe es wird mir eine Lehre sein. 0-1

Kommentare

14 Antworten zu “Meine holländischen Gurken”

  1. WS am 20. Dezember 2007, 08:22

    Hi,

    wie hätten dich denn deine Freunde darauf aufmerksam machen sollen, dass du remisieren sollst? In so einer Situation hätte das doch in jedem Fall Proteste gehagelt – und zwar zurecht, oder?

    Walter

  2. Georgios Souleidis am 20. Dezember 2007, 09:06

    Über den Mannschaftsführer natürlich.

  3. WS am 20. Dezember 2007, 14:56

    Ist das so einfach? Nach meinen Kenntnissen muss in solchen Fällen die Initiative vom Spieler ausgehen. Ein unaufgeforderter Zuruf „remis reicht“ ist auch für den Mannschaftsführer unzulässig – erst recht in einer solchen Situation, wo es den Spieler aus der Trance holt.

    Aber wir müssen das hier sicher nicht ausdiskutieren.

  4. Georgios Souleidis am 20. Dezember 2007, 15:03

    Der Mannschaftsführer darf einschreiten. Klar. Für solche Fälle ist er da. Wir hatten den Fall beim Bundesligawochenende in Katernberg. Da hat der Mannschafstführer aus Zehlendorf in eine laufende Partie eingegriffen. Der Schiedsrichter hat das toleriert.

  5. Falko Meyer am 20. Dezember 2007, 17:54

    Wie beendet man eine Diskussion nicht, die man gerne nicht beenden würde? Man erklärt sie für beendet und diskutiert weiter. In diesem Sinne schliesse ich mich WS an, dass hier nicht weiter diskutiert werden muss, ausserdem, dass der Mannschaftsführer zumindest in deutschen Ligen natürlich nicht eingreifen darf – egal wie oft der MF von Zehlendorf das gemacht hat und der Schiri das toleriert hat (dieses Argumentationsmuster hat mir schon bei der Handy-Diskussion nicht gefallen).

    Warum ich eigentlich noch kurz vor Weihnachten auf EV vorbeischaute war Folgendes…. als aktuell Führender der Liste Top-Kommentatoren fühle ich mich berufen, im Namen aller Kommentatoren (die das wünschen) und natürlich auch persönlich auf diesem Wege Georgios ein frohes Weihnachtsfest zu wünschen und für die Bereicherung meines Büroalltags durch diesen Blog zu danken :-), verbunden mit dem Wunsch, EV möge durch die Umstrukturierung nichts an Qualität einbüssen und DerWesten wählt Ende 2008 Georgios zum Top-Blogger!

    Frohes Fest!

    Falko

  6. Georgios Souleidis am 20. Dezember 2007, 18:06

    Ich bin verwirrt! Der MF darf nicht einschreiten? Das zeigt mal wieder meine Regelunkenntnis. Aber dafür ist dieser Blog ja auch nicht bekannt. Ich werde auf jeden Fall noch mal nachfragen. So lange ich hier aber Blödsinn erzähle, bitte ich um Nachsicht. Es geschieht alles nach bestem aber offensichtlich nicht genügendem Wissen. Frohe Feiertage!

  7. Merijn van Delft am 20. Dezember 2007, 19:11

    Als MF sollte ich die schon längst beendete Diskussion auch noch mal bereichern 😉

    Vorweg eine Korrektur: Als Georgios 69. Lg4 spielte, hatte er noch genau eine Minute für den Rest der Partie.

    Ich kenne die Regeln auch nicht, aber vermute das es vor allem ein Unterschied macht wann du mit dem Spieler sprichst. Halbwegs der Kampf mit noch Stunden auf der Uhr fällt es keiner auf und interessiert es auch keiner, aber mit noch drei Sekunden für die Rest der Partie geht das nicht mehr. Und dann gibt es noch ein grosses Gebiet dazwischen.

    Obwohl ich während der Partie ehrlich gesagt auch davon ausgegangen bin das es erlaubt ist einzugreifen und es nicht gemacht habe weil ich nicht wusste wann („Ist es dann doch Mattt!?“ war einer meiner Gedanken, „Abwarten, abwarten“ eine andere), bleibt es letztendendlich der Verantwortung des Spielers.

    Der Fehler von Georgios war das er nicht ausreichend verstanden hat das verlieren keine Option war. Das erste Diagram is gut gewählt, weil es da noch eine symbolische letzte Minute gab und Weiss für eine schwierige Entscheidung steht. Also entweder man macht „feige“ Remis mit 69. Dg8 oder man setzt Matt mit 69. Lg4. Alles dazwischen ist unprofessionel 🙂

    Aber gut, wir sind halt Menschen und Menschen machen fehler. Hauptsache Georgios hat gekämpft!

    In 2008 werden wir weiter kämpfen. Alles gute, happy holidays!

  8. Hamburgs langweiligster Schachspieler am 21. Dezember 2007, 01:21

    Wenn in der Turnierordnung nichts zu den Rechten und Pflichten des Mannschaftsführers steht, spricht manches dafür, dass die Festlegung der FIDE gilt:
    „During the games the captain must refrain from interfering in any way. He is, however, entitled to advise his players on the offering or accepting of draws or the resigning of games, provided that he makes no comment on the actual position on the chessboard, and confines himself to giving brief information which can in no sense be construed as an opinion about the course of the game.“ (u.a. im FIDE Handbook D.II.01 6.3.9.4 bei den Bestimmungen für die Olympiade nachzulesen, aber auch bei den Bestimmungen für andere Mannschaftswettbewerbe ist diese Regelung zu finden)
    Demnach darf der Mannschaftsführer durchaus seinem Mitspieler empfehlen, ein Remisangebot abzugeben.

  9. Georgios Souleidis am 21. Dezember 2007, 09:03

    Grossartig. Danke für die Mühe!!!

  10. WS am 21. Dezember 2007, 10:32

    Alle sind sich einig, nur der hochverehrte Willi Knebel sieht es unter http://sfk-schach.de/index.php?option=com_docman&task=doc_view&gid=18 anders:

    „Dem Mannschaftsführer ist es lediglich gestattet, auf eine Frage des Spielers zu
    antworten, beispielsweise wenn dem Spieler ein gültiges Remisangebot liegt und er nun wissen
    möchte, ob er annehmen oder ablehnen soll. Der Impuls zu diesem Dialog muss vom Spieler
    ausgehen.“

    Trage ich damit zur Beendigung der Diskussion bei? Seien wir doch ehrlich: Georgios will das doch garnicht – es hebt ja die Beitrag-Kommentare-Ratio 🙂

  11. WS am 21. Dezember 2007, 10:33

    … „senkt“ statt „hebt“, klar.

  12. Falko Meyer am 21. Dezember 2007, 12:13

    Ein Streitfall nach meinem Geschmack :-))

    Mannschaftsführer und Startrainer MvD sagt in der 3. Diagrammstellung zu dem Protagonisten „Mach Remis!“
    Daraufhin folgt Da5 Kb8 Dd8 Ka7 Da5 mit Remisangebot, Remis wird vereinbart und die gegnerische Mannschaft legt Protest ein.

    Begründung: Hier wurde keinesfalls entsprechend der Regeln durch den Mannschaftsführer über „offering or accepting a draw“ gesprochen „Biete Remis an!“ „Nimm an!“, sondern darauf hingewiesen, dass es einen Remisweg gibt.

    Und hiermit entlasse ich Euch bzw. mich endgültig in den Weihnachtsurlaub…

  13. Hamburgs langweiligster Schachspieler am 21. Dezember 2007, 14:48

    @WS (Kommentar 10): Da der von dir erwähnte Beitrag Willi Knebels fast 6 Jahre alt ist (09.02.2002), trägt er nur bedingt zur Klärung bei, da er sich auf die damals gültigen FIDE-Regeln bezieht, die nicht mit den aktuellen identisch sind.

    @Falko Meyer (Kommentar 12): In diesem Fall liegt die Vermutung nahe, dass der gegnerische Mannschaftsführer ein Jurist ist 🙂
    Ich würde die Aufforderung „Mach Remis!“ eher als „Biete Remis an!“ interpretieren (auch wenn die Formulierung „Mach Remis!“ schon impliziert, dass es sich um ein Angebot handelt, das der Gegner nicht guten Gewissens ablehnen kann).

  14. Georgios Souleidis am 21. Dezember 2007, 17:13

    Freunde, 13 Kommentare zu diesem Beitrag und alles dreht sich um diese Regel. Das darf doch nicht wahr sein. Ich bin raus. Ihr dürft euch aber weiter auslassen 🙂

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