Magnus zieht

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Das ist ein Schachblog, zur Zeit läuft die WM und ich habe noch nichts darüber geschrieben. Das hätte sich wahrscheinlich nicht geändert, hätte es heute morgen nicht einen besonderen Trigger gegeben. Bei meinen morgendlichen Ertüchtigungsübungen vor der Arbeit lasse ich das Morgenmagazin des öffentlich-rechtlichen Fernsehens als Begleitung laufen.

Urplötzlich durchzuckt es mich. Der Typ, der für die Sportnachrichten zuständig ist, fängt an über die Schach-WM zu reden. Ich schaue hoch und trau meinen Augen nicht. Tatsächlich sendet das Moma einen Beitrag über zwei Minuten mit Bildmaterial aus Chennai in die deutschen Wohnstuben. Der Beitrag dreht sich hauptsächlich um Magnus Carlsen. Der junge Norweger bewegt gerade in seiner Heimat die Massen, das ist bekannt. Aber auch in Deutschland bemerkt man eine deutliche Steigerung des Interesses an seine Person, und im Endeffekt an der WM.

Es ist rekordverdächtig, wie häufig Ulrich Stocks Beiträge auf zeit.de gelesen werden. Innerhalb des Ressorts Sport liegen sie, auch was die Anzahl der Kommentarre betrifft, sogar vor Fußball, aber auch innerhalb des gesamten Portals nahmen sie zwischenzeitlich Spitzenpositionen ein. Das liegt natürlich daran, dass Stock beneidenswert gute Geschichten erzählt und weniger daran, wie toll diese WM ist. Im Gegenteil, sie verläuft aus meiner Sicht sportlich so langweilig, wie ich es erwartet habe. Carlsen ist einfach zu überlegen und hinzu kommen diese elendig langweiligen Remispartien wie in Runde 8 – wer möchte so etwas sehen?

Auf Twitter, und sonst in Insiderkreisen, wird gemunkelt, aber eigentlich ist es auch deutlich zu erkennen, dass Anand nur noch die Arschbacken zusammenkneift. Hauptsache keine Klatsche. Der „Tiger von Madras“ ist in die Jahre gekommen. Mit den „Dritten“ lässt sich offensichtlich nicht mehr so gut zubeißen. Schade eigentlich, denn was hat er zu verlieren? Er hat alles erreicht im Leben, sportlich sowieso und privat spätestens seit der Geburt seines Sohnes auch. Und in Indien ist ihm die unbegrenzte Liebe seiner Landsleute sicher. Auf Facebook habe ich auf Eric van Reems – Ulrich Stock verpasste ihm den launigen Titel Anands Presseattaché – Seite einen romanartigen Kommentar einen indischen Schachfreunds gelesen – jeder Gott würde rot anlaufen ob soviel Hingabe.

Also, am Freitag Donnerstag ist die 9. Partie und hoffentlich reißt sich sich „Vishy“ nochmal zusammen. Ich denke, es ist besser mit fliegenden Fahnen unterzugehen, als ständig ängstlich die weiße Fahne zu wehen.

Kommentare

5 Antworten zu “Magnus zieht”

  1. Ali Baba am 21. November 2013, 02:27

    Die 9. Partie wird laut Scheduke am Donnerstag gespielt, nicht am Freitag. Hat sich da was geändert?

  2. SirSchratz am 21. November 2013, 17:53

    Kasparov hat mal im „Wall Street Journal“ den Begriff der Pepsi-Generation vorgeschlagen, der dann tatsächlich auch etwas Einzug gehalten hat in den Sozialwissenschaften ….

    Carlsen ist ein typischer Vertreter dieser Pepsi-Generation. Er will Fun, Schach fällt ihm aufgrund einer gewissen Insel-Begabung leicht, was etwas nach Fischer klingt, zumal auch Fischer (so viel ich weiß) keinen Schulabschluss hatte (ebenso wenig wie Carlsen….) ….

    Er hat aber – das sagt er ja selbst (zB vor dem KT in London) – wenig Interesse am Trainieren, auch am Schach an sich, er ist gerne im Süden, macht gerne Sport und hat einfach gerne ne gute funige Zeit, sicherlich auch auf den Mode-Shootings, wo es ihm sichtlich Spaß macht, seinen Body zu zeigen – da ist nichts dran auszusetzen, das ist wunderbar, wenn ihm das gefällt, und das Geld stimmt ja auch noch, wer würde die Kohle nicht abgreifen und Fun haben? ….

    Aber schachlich ?

    Was würde passieren wenn Jogi Löw als Vorbereitung zur WM in Brasilien sagen würde, er und seine Mannschaft hätten wenig Lust zu trainieren und Sie hätten einfach nur gerne ein bißchen Spaß in Brasilien?

    Wie will man mit einem Weltmeister Carlsen, der seine Langeweile ostentativ zur Schau stellt, jemanden am Schach interessieren? Es wird die Publicity steigen. Man wird vielleicht schicke Fashion-Girls mit Schach-Motiven sehen – ist toll, keine Frage …. Aber schachlich ….

    „Hey, schaut mal, der neue Schachweltmeister – nehmt euch den zum Vorbild, der hat keinen Bock auf Schach trainieren, sondern spielt lieber Fußball an einem warmen Beach“

    GAAAAAAAAAANZ toll – Super, dass Carlsen Weltmeister ist ….. Die Pepsi-Ära beginnt ….

  3. schächer am 21. November 2013, 23:20

    Diese zur Schau gestellte Lässigkeit und Faulheit ist natürlich nur für die Medien bzw auch eine Provokation gegenüber seinen Kontrahenten. Einst verbreitete auch Aronian diese Haltung, Allerdings ist er genau wie Carlsen ein harter Arbeiter in Sachen Schach. Faul ist ein solcher Spieler wohl, wenn er an einem Tag mal nur 5 Stunden trainiert. Es kann durchaus als positiv gesehen werden kann, wenn ein Weltmeister ein Sunnyboy, ein Normalo, Model und vielleicht sogar ein Mädchenschwarm sein kann. Niemand sonst kann Leute eher zum Schachspielen bringen als er. Seine Art kann dem Spiel und seiner Popularität nur gut tun. Schachlich ist zu erwarten, dass Carlsen weiterhin Turniere gewinnen und schöne Partien spielen wird wie das jeder Weltmeister außer Fischer getan hat.

  4. SirSchratz am 22. November 2013, 19:35

    ich wäre mir da ehrlich nicht so sicher – mit 22 müssen 99% seiner altersgenossen deutlich mehr zeigen ….

    unzusammenhängend antworten und eher widerwillig auf pressekonferenzen herumlümmeln – da ist jedes uni-referat schnell weg …. ganz zu schweigen von jobs …

    ist ja doll der junge mit seinen gap-clothes, aber mehr als vier kohärente sätze kriegt klein magnus definitiv nicht auf die reihe, das endet irgendwann im pfffffffff – mir erschließt sich hier die faszination nicht

    wenn man sich bei chessbase das bild ansieht, wie er praktisch im stuhl liegt, dann ist das einfach nur herbwürdigend und beleidigend für den gegner – und falls das unabsichtlich erfolgt, dann ist das noch bedenklicher. das würde in jedem normalen turnier jeden stören …. das ist einfach so. bei klein magnus ist das aber subba? ich weiß nicht….

    kasparov hat zu den guten alten gma-zeiten gefordert das am und jenseits des brettes ein gewissen verhalten notwendig ist, fast alle fanden das sehr gut ….

    am ende des tages (wie’s so schön heißt), mögen sponsoren den jugendlichen charme ganz doll finden, aber seriöse sponsoren werden auch auf mehr achten als nur den kurz-zeiteffekt ….
    auf dauer bleibt halt erst mal weniger mehr von carlsen: genialer schachspieler – seeeehr schlechtes, auch beleidigendes verhalten sowie unzusammenhängendes, unmotviertes gerede – den kann doch kein seriöser sponsor auf einer pressekonferenz präsentieren, wo er irgendetwas gehaltvolles sagen soll ….

    man sollte auch nicht vergessen, dass der carlsen-clan im vorfeld sehr aggressiv gegen die chennai-entscheidung (von vor 3 jahren!) polemisiert hat (aber das ist ein anderes thema)

  5. schächer am 23. November 2013, 09:36

    Carlsen ist kein 22jähriger Literaturprofessor, dass er blendende Rhetorik zeigen muss. Gehaltvolles sagen? Nun, es wird ohnehin hauptsächlich über die Partie und Varianten geredet und das verstehen die Nicht-Schachexperten ohnehin nicht. Er ist sicher ein akribischer Arbeiter in Sachen Schach und den 22jährigen, der mehr Arbeit für seine Sache leistet als er, den zeigst Du mir.
    Kasparov ist übrigens sicher nicht der richtige Moralapostel, der einen Verhaltenskodex einführen sollte. Wie er sich in New York beim Kampf gegen Anand aufgeführt hat, Türen nicht zugemacht sondern zugeschmettert hat, ist sicher noch in guter Erinnerung. Jedem sollte man seine Art lassen, ob lässig oder steif. Das kann kein Kriterium sein um jemanden schlecht zu machen. Die Spieler jedenfalls haben bei diesem WM-Kampf einen weitgehend fairen Umgang miteinander gepflegt. Kein Spieler hat sich bislang über ein Deiner Meinung nach beleidigendes Verhalten (Körperhaltung) Carlsens beschwert. Letztlich war Carlsen bereit nach Indien zu reisen um den WM-Kampf zu bestreiten. Dass es da im Vorfeld Bedenken gab, ist mehr als verständlich, denn was Hygiene und Krankheiten angeht ist Indien eines der gefährlichsten Länder der Welt.

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