Eigentlich hatte ich ja gestern angedroht die Gurken erst Mittwoch oder Donnerstag zu veröffentlichen, aber sei´s drum, ich habe umdisponiert, da es einige heiße Kandidaten für die Gurke des Jahres gibt. Außerdem ist meine To-do-Liste bis Freitag, da fliege ich nach Malle zu diesem schönen Turnier ((IV International Open Chess City of Palma, Iberostar Trophy)), um einen Punkt ärmer.

3. Runde Schachbundesliga:

Den Reigen beginnen wir natürlich mit der Partie, die einiges Aufsehen erregt hat, denn wann verliert schon mal ein Weltklassespieler wie Alexei Shirov auf so eine Weise wie am Samstag gegen Michael Bezold.

Bezold,Michael (2517) – Shirov,Alexei (2730) [E05]
SBL 0910 OSG Baden Baden – Bayern München (3.1), 14.11.2009

1.c4 e6 2.Sf3 d5 3.g3 Sf6 4.Lg2 Le7 5.0-0 0-0 6.d4 dxc4 7.Dc2 a6 8.a4 Ld7 9.Dxc4 Lc6 10.Lg5 Ld5 11.Dc2

11…a5 Ich weiß nicht, ob sich Shirov diesen Zug am Brett überlegt hat, oder ihn in petto hatte für diese Stellung. Fakt ist, dass hier 11…Le4 fast immer gespielt wird und dass Weiß in der Partie mit Tempo das Zentrum besetzt. 12.Sc3 Sa6 13.e4 Sb4 In Frage kam 13…Lc4 Nach 14.Tfd1 (14.Se2!) 14…Sb4 15.Db1 h6 hatte Schwarz in Stohl,I (2533)-Brumen,D (2454), Pula 2001, gutes Spiel. 14.De2 Lc6 15.Tfd1

15…Sd7?? Ein erstaunlicher Einsteller für einen Spieler wie Shirov und das ohne Zeitnot. 15…b6 oder 15…h6 müsste geschehen. Aus meiner Sicht steht Weiß etwas besser, aber nichts Besonderes. 16.d5! Schwarz verliert nach 16…Lxg5 (oder 16…exd5 17.exd5 Sxd5 18.Sxd5 Lxg5 19.Sxg5 Dxg5 20.Se7+ Kh8 21.Sxc6) 17.dxc6 Sxc6 18.Sxg5 eine Figur. 1-0

Die folgende Gurke ist richtig bitter.

Müller,Karsten Dr (2523) – Flumbort,Andras (2513)
SBL 0910 Hamburger SK – SG Trier (3.6), 14.11.2009

Stellung nach 25.Txh5:

Weiß hatte ohne Rücksicht auf Verluste angegriffen, wonach diese Stellung entstand. Zwei Züge vorher hatte Schwarz eine gute Möglichkeit schon ausgelassen und nun folgt… 25…Sxd3?? Ein taktisches Versehen, was zum Verlust führen sollte. 25…Sg6! 26.Tg1 Lf6 müsste noch gut funktionieren für Schwarz, z.B.: 27.Sxe6 fxe6 28.Txg6 Kf7!= 26.Tg1! Dieser Zwischenzug droht Matt. 26…f5 27.Sxe6! f2 Ein letzter Versuch. 27…Kf7 28.Sxd8+ Txd8 29.cxd3+- 28.Th8+ Kf7 29.Sxd8+ Txd8

30.Txd8?? Karsten hatte hier noch 6-7 Minuten, deswegen ist dieser Blackout schwierig zu erklären. 30.Lxf2! Tg8 31.Txg8 Kxg8 32.cxd3 und Schwarz kann aufgeben. 30…fxg1D+ 31.Lxg1 Lxd8 Schwarz verbleibt mit einer Figur mehr auf dem Brett. 0-1

Die folgende niveauvolle Einlage hatte Ilja auf seinem Blog schon veröffentlicht ((Zwei Mannschaftspunkte, zwei mehr als erwartet)), aber sie gehört natürlich auch in diese Rubrik.

Schneider,Ilja (2500) – Breder,Dennis (2427)
SBL 0910 Turm Emsdetten – SF Berlin (3.5), 14.11.2009

Stellung nach 26…Sxc3:

27.Ta7?? Wie schlecht ist das denn? Und ich schätze mal völlig ohne Zeitnot. 27…Se2+ 28.Lxe2 Txc1+ Schwarz hat ne „Qualle“ mehr, bekleckert sich aber in der Folge bei der technischen Verwertung nicht mit Ruhm. 29.Kf2 Tc7 30.Sd4 Lc8 31.Lf3 Tce7 32.Sb5 Le6 33.Sd4 Lg8 34.Sf5 Td7 35.Ke2 g6 36.Sd4 Tde7 37.Kf2 Lf7 38.b5 Kg8 39.b6

39…Tb8? Gibt das Geschenk zurück. 39…Tc8! 40.Sc6! bxc6 41.Txe7 Txb6 42.Tc7 Tb2+ 43.Kg3 Tc2 44.Kf4 Tc3 45.h4 h6 46.e4 dxe4 47.Lxe4 Tc5 ½-½

Bartel,Mateusz (2609) – Von Herman,Ulf (2424)
SBL 0910 SV Wattenscheid – SK König Tegel (3.4), 14.11.2009

Stellung nach 22.Th3:

Weiß hatte gerade den Turm von h1 nach h3 gezogen, um 23. hxg6 zu drohen. 22. hxg6 brachte nichts ein, da Schwarz mittels des Zwischenschachs auf c5 den Turm auf f8 gedeckt hätte und mit fxg6 fortgefahren wäre. 22…d4?? Schwarz hätte den Turm von f8 entfernen müssen. 23.hxg6! Natürlich. Auf 23…Dc5+ folgt 24.Tc3 Es droht ja Matt auf h7. 1-0

4. Runde Schachbundesliga:

Der sympathische Münchner Bernd Meissner, den ich noch aus Jugendzeiten kenne, ist inzwischen ein Stammgast in dieser Rubrik.

Schwalfenberg,Joerg (2317) – Meissner,Bernd (2410)
SBL 0910 Bayern München – Heidelberg-Handschuhsheim (4.7), 15.11.2009

Stellung nach 27.Dd5+:

27…e6?? 27…Ke8! sollte zumindest unklar, wenn nicht etwas besser für Schwarz sein. Mit dem König auf e8 ist es natürlich unangenehm, aber so richtig droht nichts. 28.Sg5+?? Nach 28.Dc4! wäre bei Schwarz wahrscheinlich die Kinnlade nach unten geklappt. 28…Kg8 (28…Dh5 29.Sd6+ Kg8 30.Dxe6+ Kh8 31.Lg5! Lxa1 32.g4+-) 29.Sf6+ Lxf6 30.Dxg4 Lxa1 31.Dxe6++- 28…Kg8 29.Sxe6

29…Df5?? Ratet mal, was nach 29…Tf5! 30.Dd6 Le5 passiert wäre. 30.Dxf5 Txf5 31.Sxg7 Kxg7 32.Lb2+ Mit Läufer und zwei Bauern für den Turm steht Weiß hier etwas besser, die Partie endete aber nach 45 Zügen remis.

Der Remagener Klaus-Jürgen Schulz ist ein trickreicher Spieler. Von Theorie hat er – inzwischen – wenig Ahnung, aber am Brett stellt er seine Gegner vor harten Problemen. So gewann er in der ersten Runde gegen Philipp Schlosser und so hätte er auch in der 3. Runde gegen Christian Scholz gewinnen müssen ((Sand im Getriebe)). Aber die leidige Zeitnot bringt ihn manchmal um seinen verdienten Lohn, wie auch im folgenden krassen Beispiel.

Schulz,Klaus-Jürgen (2385) – Schebler,Gerhard (2486)
SBL 0910 SC Remagen – SV Mülheim Nord (4.8), 15.11.2009

Stellung nach 66…Kf7:

67.h7?? 67.Ke4 Sd6+ 68.Ke5 Sc4+ 69.Kd4 Sd6 70.h7 Kg7 71.g6+- 67…Kg7 68.Ke4 68.g6 Sh4 69.d6 Sxg6 70.d7 Se5+= 68…Sd6+ 69.Ke5

69…Sc4+?? 69…Sf7+ 70.Kf5 (70.Kf4 Kxh7=) 70…Sd6+= 70.Kd4 Sd6 71.g6! Sf5+

Hier gewinnen jetzt drei Züge. Der König darf nur nicht auf ein Feld, wonach ein Bauer durch Gabel mit Schach fällt. 72.Ke5?? 72.Kc5, 72.Ke4 oder sogar 72.Kc3 gewannen allesamt. 72.Kd3?? oder 72. Kc4?? führen nach 72…Sh4! dagegen zum Remis. 72…Se7 73.d6 Sxg6+ 74.Ke6 Sf8+ 75.Ke7 Sg6+ 76.Ke8 Se5 ½-½

Hamburg gewann gegen Eppingen insbesondere in der Höhe überraschend mit 6:2. U.a. deswegen:

Heinemann,Thies (2484) – Medvegy,Zoltan (2556)
SBL 0910 SC Eppingen – Hamburger SK (4.7), 15.11.2009

Stellung nach 13.Lf4:

Schwarz kann mit dem Eröffnungsverlauf sehr zufrieden sein. 13…g5? Das stellt einen wichtigen Bauern und die Partie ein. 13…Lc7! 14.Sxg5! Sxg5 15.Dg3! Kh8 15…h6 16.h4!+- 16.Dxg5+- und Weiß gewann nach 37 Zügen, problemlos.

Der Spanier Marcos Llaneza Vega, der in Berlin studiert, ist bis dato für Bremen nicht die erhoffte Verstärkung. 0,5 aus 5 ist gleichbedeutend mit der schwächsten Leistung in der Liga.

Seger,Ruediger (2407) – Llaneza Vega,Marcos (2504)
SBL 0910 SG Trier – Werder Bremen (4.8), 15.11.2009

Stellung nach 33.Lf3:

Mit vier Fehlern in Folge wird Schwarz diese Stellung verbaseln, vom Gewinn zum Verlust. 33…Tdc8? Nach 33…Dc7! 34.Dxc7+ (34.Dxe6 Te5!-+) 34…Txc7 35.Lf4 Kc8 36.Lxc7 Kxc7 hätte Weiß aufgeben können. 34.Dxh7 Dc7? 34…Dxb2! 35.Dxg6 Tb5? 35…e5! 36.Dxe6 Te5? Läuft genau in die Fesselung rein. 36…Tf8! 37.Dh6 Tce8 38.Lf4 Mit Läufer und drei Freibauern steht Weiß auf Gewinn, 1-0 nach 91 Zügen.

Breder,Dennis (2427) – Muse,Drazen (2367)
SBL 0910 SK König Tegel – Turm Emsdetten (4.5), 15.11.2009

Stellung nach 18.Ld5:

18…Thd8?? Nach 18…Sxf3 19.Lxf3 Lxf2 wäre alles trotz des Königs auf e7 halb so wild gewesen. 19.The1+ Auf 19…Kf8 folgt 20.Sxd4 Txd5 21.Se6+ 1-0

Kommentare

7 Antworten zu “Gurken des Wochenendes (20)”

  1. Geckotierchen am 18. November 2009, 12:00

    Erwaehnung finden sollte evtl. noch die Partie Renner – Nisipeanu (hat Weiß wirklich so fix aufgegeben?).

    Ansonsten ein wunderbares Potpourri das mich daringehend beruhigt zu wissen, dass andere Leute am Sonntag noch schlechter gespielt haben als ich. 🙂

  2. Georgios Souleidis am 18. November 2009, 12:08

    Bei Renner-Nisipeanu hat der Weiße versucht durch eine unorthodoxe Eröffnungsbehandlung den Schwarzen aus dem Konzept zu bringen. Das Einzige, was er aber geschafft hat, war nach gerade mal 16 Zügen eine so schlechte Stellung auf dem Brett zu haben, dass er wohl keine Lust mehr verspürte die Technik des Großmeisters zu testen.

  3. Peter B am 18. November 2009, 12:17

    Die Ansammlung solch dramatischer Fehler erschreckt mich. Ist das ein „deutsches“ Phänomen oder tritt das in anderen Ligen ebenso auf? Ich glaub ich schau mal ins Nachbarland nach Österreich. Dort spielen ja teilweise die selben Leute…

    Zumindest bei Schneider – Breder hatte ich zugesehen. Schwarz befand sich zum Schluß in schlimmer Zeitnot, und wollte mit Tb8 einfach einen Tempozug machen…

  4. Schachzoo am 18. November 2009, 22:25

    An diesen Teil der Partie erinnere ich mich eher so wie in Trance, aber Zeitnot hatte ich an dieser Stelle auf keinen Fall. Hingegen aber Breder bei seinem Rückpatzer.

  5. Gurken des Wochenendes (20) am 18. November 2009, 23:01

    […] Weltklassespieler wie Alexei Shirov auf so eine Weise wie am Samstag gegen Michael Bezold… mehr Gurken des […]

  6. Peter B am 16. Dezember 2009, 12:20

    Schüchterne Nachfrage:

    Gibt es wieder Gurken vom letzten Wochenende? Ich glaube nicht das das Material ausgegangen ist…

  7. Georgios Souleidis am 16. Dezember 2009, 13:37

    Ich sammle schon fleißig.

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