Der zweite Teil der Leidensgeschichte eines Schachspielers auf Reisen. Ein Stück von Bernard Verfürden.

17.08. nachts

Entschließe mich dazu einen belgischen Notarzt aufzusuchen. Versuche die bereits ausgezogene Kleidung wieder an den Mann zu bringen. Bemerke, dass ich die Unterhose nicht ohne weitere Schmerzen ausziehen kann. Sie ist wie festgeklebt. Nehme kurzerhand eine weitere Unterhose und ziehe diese über die Erste. Beim Anlegen der Schuhe stelle ich fest, dass auf dem rechten Fuß der Schuh nicht passt. Der kleine Zeh – wie ein Blinker zur Seite geneigt – macht das Anlegen unmöglich. Entscheide kurzfristig links einen Schuh zu tragen und rechts barfuss zu laufen.

Laufe die Treppen im Hotel hinunter und treffe auf ein Ehepaar, das mich völlig verwundert anschaut. Habe keine Zeit meine ungewöhnliche Schuhmode den beiden näher zu bringen. Während ich peinlich darauf bedacht bin, keine weiteren Ecken mit dem Zeh mitzunehmen, fährt just in dem Moment eine belgische Hilfskraft mit einem 400 kg – gefühlt – schweren Wäschewagen über den Fuß ohne Schuh. Nach Sekunden lässt sich auf dem Spann der Reifenhersteller, spiegelverkehrt aber lesbar, erkennen. Fange hysterisch an zu Lachen und observiere mit einem offensichtlichen Blick des Hasses die junge Dame.

Verursache durch meine Reaktion eine panikartige Flucht der Mitarbeiterin. Nehme die Gelegenheit wahr meinen Weg zum Arzt fortzusetzen.
In der Tiefgarage stelle ich fest, dass dieser abends abgeschlossen wird und ich erst durch eine verbale Intervention an der Rezeption die Möglichkeit der Ausfahrt erhalte. Mittlerweile ist der bunte Klumpen, der aus dem Hosenbein ragt, kaum noch als Fuß zu erkennen. Meine Lust auf das Schachturnier relativiert sich zunehmend. Entschließe mich kurzerhand aus dem Kofferraum das Erste-Hilfe-Paket zu entnehmen. Werde ohnehin keinen Arzt mehr aufgabeln können.

Zurück auf dem Zimmer tape ich meinen Fuß und richte unter Schmerzen den Zeh in die von der Natur angedachten Richtung aus. Versuche zu schlafen.

18.08. morgens

Wache gegen 6:30 Uhr auf. Die Matratze ist so alt wie der Westfälische Frieden. Habe das Gefühl, als ob ich in einem Waffeleisen genächtigt habe. Abgesehen vom Fuß, schmerzt nun auch der Rücken. Habe mittlerweile Null Bock auf das Turnier.

Bin nun doch gezwungen barfuss durch das Hotelzimmer zu latschen. Mein Fuß passt maximal in einen Schuhkarton. Überlege krampfhaft welche Alternative es zu Schuhen gibt. Werde wohl kaum ohne Schuhwerk zum Schachturnier spazieren!

Habe nun die Dusche ausprobiert. Was soll ich sagen? Habe lediglich nur einen Hebel gefunden, der die Wasserzufuhr gestattet! Eine Temperaturregulierung ist in diesem Zimmer nicht möglich. Bemerke später, dass durch das Aufdrehen des Duschwassers sich zeitgleich der Toilettenspülkasten entleert! Habe die Hoffnung, dass ich zwar selbst keine Temperatur einstellen kann, womöglich aber irgendeine Regulierung eingestellt ist. Bin nach fünf Minuten enttäuscht. Die Temperatur ist auf arschkalt eingestellt. Ich dusche bei einer Wassertemperatur von 4 Grad Celsius und erreiche einen dermatologischen Ground Zero.

Nach dem Duschen stelle ich fest, dass durch das kalte Wasser die Schwellung an meinem Fuß abklinkt. Überlege den Lederschuh an der Seite aufzuschneiden, um ihn passend zu machen. Verwerfe später den Gedanken, da ich im Kofferraum noch alte Sandalen habe. Möglicherweise passen diese auch, ohne dass ich einen 200 € Schuh zerstören muss.

Fortsetzung folgt…

Kommentare

2 Antworten zu “Tagebuch eines Schachspielers (2)”

  1. MiBu am 16. September 2009, 09:04

    Erstaunlich, der Autor unterbietet das extrem niedrige Niveau von Teil 1 noch. Zwei Daumen sowie ein abstehender großer Zeh (sh. Text) nach unten.

  2. Claus am 16. September 2009, 11:21

    Subtiler, feinsinniger, und dennoch spritziger Humor ! Aber 2 Teile sind GENUG !

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