In hiesigen Breitengraden wurde naturgemäss hauptsächlich auf das Abschneiden der deutschen Spieler geachtet. Ich freute mich zwar über das Ergebnis von Jan Gustafsson, der sich für den Weltcup qualifiziert hat ((Gusti zum Weltcup)), aber mein Augenmerk lag mehr auf einem Mann, der ausserhalb seiner Heimat wenig bekannt ist, den ich aber, seitdem ich ihn näher kenne, für einen ausserordentlich starken Spieler halte. Ioannis „Pap“ Papaioannou.

Papaioannou ist ein griechischer Grossmeister mit einer aktuellen Elozahl von 2566, doch meines Erachtens könnte er sich locker im 2600er Bereich aufhalten, wenn er sich dem Schachspiel ernsthafter widmen würde. Ich kenne ihn nun schon seit fast einem Jahrzehnt und wir haben mehrere Jahre für den gleichen griechischen Klub gespielt. In dieser Zeit bin ich nicht selten Zeuge seines aussergewöhnlichen Könnens geworden. Er brilliert mit einem tiefen Positionsverständnis und fantastischen Rechenfähigkeiten. Sehr selten gerät er mal in Zeitnot, weil er einfach unglaublich schnell spielt. Nicht selten hat er mich in nächtlichen Blitzsessions, die niemals ohne erhöhten Whiskykonsum – von seiner Seite aus wohlgemerkt – abliefen, zur Verzweiflung gebracht. Seine Lieblingseröffnung im Blitzen lautet mit Schwarz 1.e4 c5 2.Sf3 f5?!. Meine Güte wie oft ich gegen diesen Unsinn verloren habe.

Nachdem er in den letzen Jahren kaum Schach gespielt hat, ausser Nationalmannschaft und griechischen Meisterschaften war wenig, spielte er nun bei der Europameisterschaft mit. Nachdem er mit 3,5 aus 5 startete, war mir klar, er wird es packen. Und so kam es auch. Ziemlich locker qualifizierte er sich als 16ter für das Tiebreak und besiegte dort Levente Vajda, nachdem er in der ersten Partie dem Gegner den Punkt aus dem Remis heraus mit besserer Zeit unnötig schenkte, noch 2:1.

In den elf Runden des Hauptturniers meisterte er alle bangen Momente bravourös. Zu Gute kam ihm, dass er sich wohl einige neue Eröffnungen angeschaut hat, denn das war immer seine Achillesferse. Jahrelang spielte er auf 1.e4 Skandinavisch oder Caro-Kann. Mit Weiss bevorzugte er häufig Damenbauernspiele. Für dieses Turnier packte er Najdorf aus, das seinen Rechenfähigkeiten absolut entgegenkommt. Die starken Grossmeister Petrosian und Volokitin versuchten es gegen ihn mit der Brechstange und opferten ziemlich wild. Sie wurden einfach ausgekontert.

Petrosian,Tigran (2615) – Papaioannou,Ioannis (2566) [B87]
9th European Individual Ch (m) round 6 Plovdiv, 26.04.2008

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lc4 e6 7.0-0 b5 8.Lb3 Le7 9.f4 Lb7

10.Lxe6!? Hierzu gibt es kaum Vorgänger. 10.Le3 ist der Hauptzug. 10…fxe6 11.Sxe6 Db6+ 12.Kh1 Sxe4

13.Sd5!N 13.Sxe4?! Voigt,M (2300)-Wahls,M (2580), Deutschland 2001 13…Lxd5 14.Dxd5 Dc6

15.Te1? Seltsam, dass Weiss, obwohl er eine gute Neuerung bringt, direkt fehlgreift. 15.Sxg7+! Kd8 16.Se6+ Kc8 17.Df5 hätte ihm Kompensation gesichert, allerdings auch nicht mehr. 15…Dxd5 16.Sc7+ Kd8 17.Sxd5 Sf6!

Vielleicht hat Petrosian das übersehen. Das nun entstehende Endspiel ist einfach schlechter für ihn. Schwarz brachte die Mehrfigur souverän zur Geltung. 0-1 nach 36 Zügen.

Volokitin,Andrei (2684) – Papaioannou,Ioannis (2566) [B96]
9th European Individual Ch (m) round 10 Plovdiv, 01.05.2008

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 e6 7.f4 Dc7 8.Df3 b5

Diese Nebenvariante punktet gar nicht so schlecht für Schwarz. 9.Lxf6 gxf6 10.0-0-0 10.e5 ist der Hauptzug. 10…b4 11.Sce2 h5!?N

Verhindert den Damenausflug nach h5. 11…Lb7 12.Dh5! Das scheint Weiss Vorteil zu sichern. 12…Dc5 (12…Ke7 13.Sg3 Sd7 14.Kb1 Tc8 15.Le2 Dc5 16.Dh4 Lg7 17.Td2 Lf8 18.Lh5 Dc4 19.Thd1± DEEP SHREDDER-DEEP GANDALF X, Paderborn 2006) 13.e5 Lc8 14.Sg3 f5 15.Sgxf5?! unklar (15.exd6±) Nepomniachtchi,I (2613)-Khismatullin,D (2566), Krasnoyarsk 2007. 12.Sg3 h4 13.Sh5 Sd7 14.Dg4!? Bereitet den Einschlag auf e6 vor. 14.Kb1 war eine ruhige Alternative. 14…Lb7

15.Sxe6!? Weiss kann nicht widerstehen. Die Turniersituation sah allerdings dermassen aus, dass Volokotin unbedingt gewinnen musste, um noch eine Chance auf den Tiebreak zu haben. Nach 15.Dxh4 0-0-0 ist die Stellung unklar. Weiss hat zwar einen Bauern mehr, aber seine Figuren wirken unkoordiniert. 15…fxe6 16.Dxe6+ Le7

17.e5?! Sieht logisch aus, aber der schwarze König kann sich danach in Sicherheit bringen. Mit 17.Sg7+! musste man den König in der Mitte halten. 17…Kd8 18.Df5 Sc5 (18…Db6 19.Se6+ Kc8 20.Sd4 mit weisser Kompensation.) 19.e5 fxe5 20.fxe5 Dd7 (20…Dc6 21.exd6 Lxd6 22.Le2 Kc7 23.Lf3 Db6 24.Se6+ Sxe6 25.Df7+ Kb8 26.Txd6 De3+ 27.Kb1 Lxf3 28.gxf3 Sc7 29.Thd1 mit weisser Kompensation.) 21.exd6 Lxd6 22.Lc4 (22.Txd6!? Dxd6 23.Dxc5 Dxc5 24.Se6+ Ke7 25.Sxc5 Lc6 ist zu wenig.) 22…Kc7 23.Se6+ (23.Dxd7+ Kxd7 24.Sf5 Se4 25.The1 Th5 26.Sxd6 Sxd6 27.Te6 Ld5 28.Txd5 Kxe6 29.Txh5+ Sxc4 30.Txh4 ergibt ein interessantes Endspiel, das stark remisverdächtig ist.) 23…Sxe6 24.Lxe6 Dc6 25.Txd6! Dxd6 26.Td1 Df8 27.Da5+ Kb8 28.De5+ Ka7 29.Dd4+ Kb8 30.De5+= 17…fxe5 18.fxe5 18.Sg7+ hätte jetzt nicht viel gebracht: 18…Kd8 19.fxe5 (19.Df5 Kc8 20.fxe5 Dc5 und Schwarz steht besser) 19…d5! mit besserer Stellung für Schwarz. 18…0-0-0!

Der König ist nun in Sicherheit. 19.exd6 19.Dxe7 Txh5 20.exd6 Da5! und Weiss hat nicht genug für die Figur. 19…Lg5+! Schwarz bläst zum Gegenangriff und wird ab jetzt das Geschehen dominieren. 20.Kb1 Dc5 21.Dg4

21…h3! Stark, nutzt die Schwäche auf der Diagonale h1-a8 direkt aus. 22.Sg7 22.Dxh3 Lf6 23.Le2 De5 24.Db3 Dxe2 25.Sxf6 Sxf6-+ 22…Th4 23.Dg3 De5 24.Dxe5 Sxe5 25.Tg1 Th7! Sehr präzise. 25…Le3 26.Sf5 Lxg1 27.Sxh4 hxg2 28.Sxg2 Lxh2 dürfte allerdings auch gewinnen. 26.Sf5 Tf7 27.g4 Sf3 28.Tg3

28…Lf4?! Nach 28…Sd2+! 29.Ka1 Sxf1 30.Txf1 Lg2 31.Te1 Lf4 32.Td3 Lxh2-+ wäre es bald vorbei gewesen. 29.Txh3 Sd2+ 30.Ka1 30.Txd2 Lxd2 31.Lc4 Tf6-+ 30…Sxf1

31.Tb3? Der entscheidende Fehler. Nach 31.Txf1 hätte Schwarz schon sehr genau spielen müssen. Die Stellung ist gar nicht so klar. 31…Lg2 32.Txf4 Lxh3 33.b3 Kd7 34.Txb4 Tdf8 35.Tb7+ Kc6 36.Tb4 Lxg4 37.Se7+ Kxd6 38.Sg6 Tc8 39.Td4+ Ke6 40.Txg4 Txc2-+ Und obwohl Schwarz hier auf Gewinn stehen sollte, gibt es noch einige Ressourcen. 31…Sxh2 Den Rest fuhr Schwarz souverän nach Hause. 32.Txb4 Sxg4 33.Txf4 Se3 34.Sxe3 Txf4 35.c4 Te4 36.Td3 Tg8 37.Sd1 Txc4 38.b3 Tc2 39.Kb1 Th2 40.Tc3+ Kd8 0-1

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