In der fünften Runde der deutschen Meisterschaft ist eine Partie gespielt worden, die hervorragend in diese Rubrik reinpasst. In einer auch theoretisch interessanten Partie opferte Weiss einen Bauern in der Eröffnung und erhielt dadurch Entwicklungsvorsprung. Dieser Faktor erwies sich mal wieder als spielentscheidend, denn Schwarz war nicht in der Lage, den Problemen am Brett Herr zu werden.

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Siebrecht, Sebastian (2487) – Rotstein, Arkadij (2548)
DEM 2008 (5), 19.02.2008

1.d4 Sf6 2.Sf3 e6 3.e3 b6 4.Ld3 Lb7 5.0-0 c5 6.c4 g6 Sieht etwas seltsam aus, da es die schwarzen Felder schwächt, ist aber in den letzten Jahren – auch von sehr starken Spielern – regelmässig angewandt worden. 6…Le7 ist der Hauptzug.

Diagramm 1

7.d5!? Ein interessantes Bauernopferangebot. Wenn Schwarz es nicht annimmt, entsteht eine Benoni-Struktur, in der Lb7 vielleicht einen Temporverlust darstellt. 7.Sc3 kam häufiger vor. 7…exd5 7…Lg7 8.e4 d6 9.Sc3 0-0 ist etwas besser für Weiss, Lechtynsky (2439) – Murdzia (2448), Tschechien 2005. 8.cxd5 Lxd5 8…Lg7 9.e4 0-0 10.Sc3 ist etwas besser für Weiss, Vaganian (2587) – Hoffmann (2477), Österreich 2006. 8…Sxd5 wurde erst kürzlich in Wijk aan Zee gespielt und ist vielleich besser. Nach 9.Le4 Sxe3 10.Lxe3 Lxe4 11.Sc3 Lf5 12.Dd5 Sc6 13.Se5 Le6 14.Sxc6 Lxd5 15.Sxd8 Lc4 16.Lg5 Txd8 17.Tfe1+ Le6 18.Sd5 Tc8 19.Sf6+ Kd8 20.Sd5+ Ke8 21.Sf6+ Kd8 22.Sd5+ endete die Partie Braun (2536) – Van der Wiel,J (2490) Remis. Das Ganze sieht komplett nach einer Computeranalyse aus. 9.e4 Lc6 9…Le6!? 10.e5 Sd5

Diagramm 2

Das ist völlig unerforschtes Terrain und es gibt bestimmt einige Möglichkeiten hier fortzusetzen. 11.Sbd2 Sc7 12.Sc4 Weiss weicht von der Vorgängerpartie ab. Der Zug sieht logisch aus, da der Springer das schwache Feld d6 anvisiert. 12.b4 d6?! 13.exd6 Lxd6 14.Lb2 mit Initiative Vaganian (2640) – Stohl (2561), Izmir 2004 12…Se6 13.Te1 Weiss ist viel besser entwickelt und Schwarz steht vor dem Problem, wie er seine Figuren ins Spiel bringen soll.

Diagramm 3

13…Lxf3?! Das ist ein Zug, den man kritisieren kann. Schwarz gibt seinen guten Läufer für einen Springer, der wenig zum weissen Spiel beitrug. Ausserdem wird die weisse Dame mit Tempo ins Spiel gebracht. 13…b5 14.Sd6+ Lxd6 15.exd6 0-0 hätte die Ereignisse forciert. Der König dürfte hier sicherer stehen als auf e8. Die schwarzfeldrigen Schwächen sollten Weiss aber genügend Kompensation geben. 13…Le7?! 14.Lh6 14.Dxf3 Sc6 15.Lh6 ein nerviger Zug. Der Läufer darf natürlich nicht genommen werden. 15…Scd4 16.Dh3 b5 Forciert die Ereignisse. 16…f5!? 17.Sd6+ Lxd6 18.exd6 Df6 19.f4 19.Le4!?

Diagramm 4

19…Sf5? Gibt die stärkste Figur her und handelt sich einen schwachen Bauern auf f5 ein. 19…0-0-0 wäre die logische Konsequenz der vorangegangenen schwarzen Züge gewesen. Die Stellung scheint total unklar zu sein. 20.Lxf5 gxf5 20…Dxf5 21.Df3± 21.Te5 Tg8?! Leistet an dieser Stelle nichts. 21…Dg6 war zäher, um sich verschiedene Optionen wie f6, Dg4 etc. offen zu lassen. 22.Tae1! Maximaler Druck. Hiernach scheint es für Schwarz keine befriedigende Verteidigung mehr zu geben. 22…Tc8

Diagramm 4

22…0-0-0 23.Lg5 Sxg5 (23…Txg5 24.fxg5 Dxg5 25.Df3±) 24.Txc5+ Kb7 25.Tc7+ Kb8 26.De3 Dd4! 27.fxg5 Dxe3+ 28.Txe3 Txg5 29.Ta3! ergibt ein klar besseres Turmendspiel für Weiss. 23.Lg5!+- Dg6 23…Txg5 24.fxg5 Dg7 25.Dxf5 ist auch aussichtslos für Schwarz 24.Txf5 c4 25.Tf6 Dd3

Diagramm 5

26.Texe6+! Der Beginn einer forcierten Zugfolge, die Weiss den Sieg einbringt. 26…fxe6 27.Txe6+ Kf8 28.Lh6+ Tg7 29.Lxg7+ Kxg7 Nach 29…Kg8 30.Te7 hat Schwarz kein Dauerschach. 30.Dh6+ Kh8 31.Df6+ Kg8

Diagramm 6

32.Dg5+! Wickelt forciert in ein elementar gewonnenes Endspiel ab. 32…Kh8 33.De5+ Kg8 34.Te8+ Txe8 35.Dxe8+ Kg7 36.Dxd7+ Kg6 37.De6+ Kg7 38.De5+ Kf7 39.h3! Db1+ 40.Kh2 und Schwarz überschritt in verlorener Stellung die Zeit. 1-0

Kommentare

Eine Antwort zu “Der Faktor Entwicklungsvorsprung (4)”

  1. Jörn Fiege am 20. Februar 2008, 22:06

    Schicke Partie, zweifelsohne. Noch mehr beeindruckt hat mich aber, wie Johannessen im Four Nations Challenge in Oslo kuerzlich Hillarp-Persson bezwungen hat: Damenopfer gegen Turm, Leichtfigur und Bauer in der Eroeffnung in Verbindung mit – genau – Entwicklungsvorsprung wickelten sich letztlich zu einem Endspiel mit Mehrbauern ab, das er souveraen gewann. Ohne vorzugeben, diese Partie verstanden zu haben (ich muss FRITZ noch konsultieren), bin ich dennoch beeindruckt.

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