Kaum mitgefiebert

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In fast jeder anderen Sportart – insbesondere Basketball und Fußball – bewegt mich das Abschneiden eines griechischen Teams emotional nicht unwesentlich. Wie die Griechen sich bei der Schach-WM schlugen, war mir ziemlich egal.

Nun haben sich meine Landsleute mit vier Siegen bei der Schach-WM in der Türkei ((Webseite Team-WM 2010)) überaus beachtenswert geschlagen und trotzdem kommt bei mir keine richtige Freude auf. Klar, ich gönne es den Jungs, aber meine Stimmung wäre keine andere gewesen, wenn sie den letzen Platz belegt hätten. Das ist schon seltsam mit den Emotionen im Schach. Es gibt kaum einen Spieler – obwohl es in jedem brodelt – der mal eine Miene verzieht und ein jubelnder Zuschauer ist mir auch noch nicht untergekommen. Gut, ab und an freut sich mal jemand aber prinzipiell wirkt das alles so gesetzt. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass es keine Helden gibt in unserem „Sport“, zumindest nimmt man niemanden als Helden wahr, oder?

Ein kleiner Held war zumindest Nikita Vitiugov für die Russen, der mit 5,5 aus 6 nach Leistung und Shakriyar Mamedyarov der zweitbeste Spieler des Turniers war. Da hat mein Verein, der SV Wattenscheid, mal wieder ein gutes Näschen bewiesen, als er den 22-jährigen vor der Saison fürs erste Brett verpflichtete. Nach Aronian und Morozevich wird das der dritte Spieler sein, der beim Ruhrpottklub sein Können unter Beweis stellen wird, bevor er in die absolute Weltspitze vordringt. Gegen den Israeli Rodshtein gelang ihm in der letzten Runde ein sehr sehenswerter Sieg.

Vitiugov,Nikita (2692) – Rodshtein,Maxim (2622) [A11]
7th World Team Championship Bursa (9), 13.01.2010

1.c4 c6 2.Sf3 d5 3.e3 Sf6 4.Sc3 a6 5.d4 b5 6.b3 Lg4 7.h3 Lxf3 8.Dxf3 e5 9.dxe5 Lb4 10.Ld2 Lxc3 11.Lxc3 Se4 12.Lb4 bxc4

Es ist eine scharfe Stellung aus dem Chebanenko-Slawen entstanden. Beide Spieler waren bestimmt gut vorbereitet, denn zwei Tage zuvor spielten Grischuk und Aronian die selbe Variante. 13.Dg4 Meistens wurde hier 13. Lxc4 gespielt, doch auch 13. Dg4 ist nicht unbekannt, insbesondere da es Kramnik gegen Ni Hua bei den London Chess Classic auspackte. 13…c5 14.f3 Nicht 14.Dxg7?! Tf8 und jetzt geht nicht 15.f3? wegen 15…Dh4+ 14…Sc6 14…cxb4 15.fxe4 0-0 16.exd5 cxb3 17.Dd4 Sd7 18.axb3 Dg5 19.Df4 Dg6 (19…Dxe5 20.Dxe5 Sxe5 21.Lxa6 ergab dagegen ein besseres Endspiel für Weiß in Kramnik,V (2772)-Ni Hua (2665), London 2009) 20.Dg4 Dh6 21.Df4 Dg6 22.Dg4 Dh6 23.Df4 mit Remis in Grischuk,A (2736)-Aronian,L (2781), WTC Bursa 2010. 15.fxe4 Sxb4 16.Dxg7 Tf8

Ein ungewöhnliches und witziges Stellungsbild mit dem vorübergehenden Triplebauern. Weiß ist unterentwickelt, aber Schwarz wird auf Dauer kein sicheres Plätzchen für seinen König finden. 17.exd5! Eine Verbesserung gegenüber der einzigen Vorgängerpartie. 17.Kf2?! Dh4+ 18.g3 Dxe4 mit besserer Stellung für Schwarz in Grivas,E (2495)-Andrianov,N (2460), Athen1993. 17…Dh4+ 17…Sc2+ mit großen Verwicklungen war die zweite Hauptmöglichkeit hier. Auch danach scheint Weiß die besseren Möglichkeiten zu haben. 18.Ke2 De4 18…Sxd5!? 19.Kf2 19.bxc4 scheint stärker zu sein. 19…Sc2 20.Dh6 Dg6 21.Df4 Sxa1 22.Lxc4 Sc2

Schwarz muss in den letzten Zügen eine bessere Möglichkeit verpasst haben, denn er steht trotz des Materialvorteils schlechter. Seine Figuren harmonieren nicht und der König ist anfällig. 23.d6!± Tg8 24.g4 Ta7 25.Td1 Dg5 26.De4! Tg6 27.Ke2 h5? 27…Th6!±

28.Td5 Möchte die Gegenüberstellung mit der schwarzen Dame ausnutzen, aber es gab schon einen forcierteren Weg zum Sieg. 28.d7+! Txd7 (28…Kd8 29.Lxf7+-) 29.Lxf7+ Kxf7 (29…Txf7 30.Da8+ Ke7 31.Dd8+ Ke6 32.Dd6#) 30.Txd7+ Ke8 31.Db7+- 28…Kd8? 28…hxg4 29.e6! Dxe3+ 30.Dxe3 Txe6 31.Dxe6+ fxe6 32.Th5+-; 28…Dh4 29.Dxc2 Dxh3 30.Txc5+- 29.Dxc2 hxg4 30.e6 Dh6 31.e7+ Ke8 32.Df5 Td7

33.Dxf7+! Ein schöner Abschluss, nach 33…Kxf7 folgt 34.Tf5+ Ke8 35.Lf7# 1-0

PS: @Peter: Die Partie Halkias-Petrosian sah aufregender aus, als sie wirklich war. Der Armenier machte im Mittelspiel einen groben Fehler und danach lief es sehr glatt für Weiß.

Kommentare

5 Antworten zu “Kaum mitgefiebert”

  1. Lather am 15. Januar 2010, 14:48

    „…und ein jubelnder Zuschauer ist mir auch noch nicht untergekommen.“

    Zugegebenermaßen passiert das nicht oft, aber vor einigen Jahren gab es beim Karl-Mala-Gedenkturnier (ein Open in Frankfurt-Griesheim) Applaus von etwa 20-30 Schachfreunden, als die Partie GM Vasquez – Uwira am Spitzenbrett nach rund 6 Stunden Spielzeit (und hochinteressantem Verlauf) Remis gegeben wurde.
    Es passiert aber auch nicht oft, dass ein Spieler aus nächster Umgebung in der letzten Runde am ersten Brett spielt und diese Partie am längsten dauert, so dass der Applaus niemanden stört.

  2. Schach Bundesliga und das Geld - Seite 4 am 19. Januar 2010, 13:34

    […] aus und leichten Konsum aus. Das fehlt beim Schach fast vollkommen. Vgl. dazu: Kaum mitgefiebert : Entwicklungsvorsprung […]

  3. PregnantVirgin am 27. Januar 2010, 23:11

    Wäre es dir auch egal wenn Wattenscheid von der ersten Bundesliga absteigen würde? In deiner Antwort, liegt auch die Pointe…

  4. Georgios Souleidis am 28. Januar 2010, 11:55

    Der komplette Eisklotz bin ich nun auch wieder nicht. Natürlich möchte ich, dass wir drin bleiben. Aber die Antwort war ja klar, oder?

  5. PregnantVirgin am 28. Januar 2010, 16:49

    Ja, die Antwort war klar – und du möchtest deshalb drin bleiben, weil du entweder dazugehörst, oder mit aufgewachsen bist.. Als Grieche wächst Mann automatisch mit besagten beiden Sportarten auf, ob Mann will, oder nicht.. Deshalb lässt es einen auch nicht kalt, wenn die griechischen Teams bei verschiedenen Turnieren teilnehmen – und wie sie dabei abschneiden..

    Wärst du auch schachlich mit Griechenland aufgewachsen, wären deine Emotionen auch entsprechend – siehe ..Wattenscheid 😉

    Desweiteren finde ich, daß Schach nicht mit Fussball oder Basketball zu vergleichen ist. Schach ist nebst Sport noch Kunst und Wissenschaft – was soll man auch nach einem Sieg eines Mannschaftskameraden auch groß rufen – TOR?!?

    Selbst wenn man jubeln möchte, so ist es untersagt, weil noch weitere Partien laufen und die Spieler sich gestört fühlen könnten..

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