Am Wochenende fanden die ersten zwei Runden der Schachbundesligasaison 2008/09 statt und damit habe ich wieder Gelegenheit, die gröbsten Patzer nach jedem Doppelspieltag in der Rubrik „Die Gurken des Wochenendes“ ((Die Gurken des Wochenendes)) zu präsentieren. Zwar fanden auch drei vorgezogene Begegnungen der Reisepartner aus der siebten Runde statt, doch dieser Runde widme ich mich erst, sobald alle Begegnungen absolviert sind.

1. Runde Schachbundesliga:

Lauber, Arnd (2497) – Reiss,Tibor (2403)
BL 0809 SF Berlin – FC Bayern München, 04.10.2008

Stellung nach 35.fxe5:

Lauber-Reiss

35…fxe5? 35…Sxc3 36.Txc3 fxe5 37.Df5 wäre nur etwas besser für Weiss gewesen. 36.Lxe5 Dxe4? 37.Lxg7! Das hatte Schwarz in der Berechnung wohl übersehen. Der schwarze König ist den weissen Figuren nun hilflos ausgesetzt. 37…Kxg7 38.Tc7+ Kg6 39.Df7+ Kg5 40.Dg7+ Kh5 41.Te7 Tg8 42.Df7+ Dg6 43.Te5+ 1-0

Renner, Christoph (2422) – Schneider, Ilja (2486)
BL 0809 SF Berlin – FC Bayern München, 04.10.2008

Stellung nach 24…Dg5+:

Renner-Schneider

Weiss muss nun entscheiden, wo er mit seinem König hingeht. 25.Kh1?? Die falsche Wahl. Danach wird die Grundreihenschwäche mit simplen Zügen ausgebeutet. 25.Kf1 Tc1+ 26.Le1 hätte eine ausgeglichene Stellung ergeben. Schwarz steht zwar aktiver, doch es gibt keine konkreten Drohungen. 25…Tc1+ 26.Le1 Da5 27.Sc2 Dc3 28.Db5 La3 und da Materialverlust nicht zu vermeiden war, gab Weiss auf. 0-1

Deglmann, Ludwig (2342) – Abel, Dennes (2328)
BL 0809 SF Berlin – FC Bayern München, 04.10.2008

Stellung nach 59.Te6:

Deglmann-Abel

59…Kf7? 59…h5 60.Kf3 Kf7! 61.Th6 Tf4+ 62.Kg3 h4+ rettet beide Bauern und sollte ein gewonnenes Turmendspiel ergeben. Aber vielleicht findet jemand noch einen Remisweg? 60.Th6 Tf4 60…Kg7 geht jetzt nicht mehr wegen 61.Te6 und dreimaliger Stellungswiederholung. 61.Txh7+ Ke6 62.Ta7 Tf8 63.Kg4 Diese Endspiel ist nun theoretisch Remis. 63…Tc8 64.Kf3 Tc3+ 65.Ke4 Tc4+ 66.Ke3 Th4 67.Ta8 Kf5 68.Tf8+ Ke6 ½-½

Thinius, Marco (2421) – Unzicker, Ferdinand (2313)
BL 0809 SF Berlin – FC Bayern München, 04.10.2008

Stellung nach 30…Txa2:

31.b3?? Weiss gibt freiwillig einiges an Material her, was aber gar nicht nötig war. 31.Te2 und Schwarz steht vielleicht minimal besser. 31…Ta1+ 32.Kc2 Txe1 33.bxc4 bxc4 Schwarz steht komplett auf Gewinn und die Partie dauerte nicht mehr lange. 34.Td2 Ta8 35.Kb2 Tea1 0-1

L’Ami, Erwin (2610) – Rustemov, Alexander (2520)
BL 0809 SV Wattenscheid – SF Katernberg, 04.10.2008

Stellung nach 28.Da7:

LAmi-Rustemov

28…Lc8? Das stellt nach… (28…Txd1 29.Txd1 Lc8 und die Stellung hätte sich im Gleichgewicht befunden)…29.Txd8 Txd8 30.De7 Tf8 31.Dxb4 Dxb4 einen Bauern und im höheren Sinne die Partie ein. Weiss gewann danach problemlos. 32.cxb4 Td8 33.Lc2 Sb2 34.Sc3 Td2 35.Te2 Td8 36.a3 Kf8 37.Kf2 f5 38.Ke3 Sd3 39.Sd5 Se5 40.Kd4 Sf7 41.Kxc4 Le6 42.Kd4 Sd6 43.Ld3 1-0

Figura, Atila (2412) – Pruijssers, Roland (2458)
BL 0809 SK Turm Emsdetten – SC Kreuzberg, 04.10.2008

Stellung nach 20.Lg5:

Figura-Pruijssers

Schwarz hatte sich mit seiner Dame im gegnerischen Lager verirrt und musste nun sehr präzise spielen. 20…Lg7?? 20…Lf6! 21.Lxf6 Sxf6 22.Sd2 Da6 sieht zwar seltsam aus, aber hätte noch funktioniert. Nun erfolgte mit Tempo 21.Sd2 und gegen 22.Sb1 gibt es keine befriedigende Antwort. 21…Se5 22.Sb1 1-0

Babula, Vlastimil (2608) – Eichner, Sebastian (2326)
BL 0809 Werder Bremen – USV TU Dresden, 04.10.2008

Stellung nach 21…gxf4:

Babula-Eichner

22.Txh7!? Sieht spektakulär aus, es ist aber absolut unklar, ob es bei genauem schwarzen Spiel zum Sieg reicht. Ich gebe aber zu, mich nicht allzu lange mit der Stellung befasst zu haben. 22…Se7?? Das lässt ein forciertes Matt zu. 22…Kxh7! 23.h5 (23.Le4 Txe4!) 23…Kg7! 24.Dxg6+ Kh8 und hier ist nicht klar, ob Weiss mehr als Dauerschach hat. 23.Dh5 Le3+ 24.Kb1 1-0

2. Runde Schachbundesliga:

Parligras, Mircea (2611) – Tiviakov, Sergei (2686)
BL 0809 SC Eppingen – SG Trier, 05.10.2008

Stellung nach 20…Le4:

Parligras-Tiviakov

Weiss steht unter Druck, könnte sich aber bestimmt noch zäh verteidigen. 21.Lc4?? Z.B. wäre 21.f3 Ta4 22.b4 La8 möglich gewesen. 21…Ta4 22.b3 Txc4! 23.bxc4 Td8 und die Fesselung auf der d-Linie entschied die Partie. 24.c5 Lxd4 25.Kf1 e5 26.f4 Ta8 27.fxe5 Lxc5 28.Tb5 Le7 29.Tb2 Ta5 30.e6 Tf5+ 31.Ke1 fxe6 32.Td7 Tf7 33.Tb8+ Kg7 0-1

Richter, Michael (2421) – Babula, Vlastimil (2608)
BL 0809 SC Kreuzberg – Werder Bremen, 05.10.2008

1.d4 Sf6 2.Sf3 e6 3.e3 c5 4.Ld3 cxd4 5.exd4 b6 6.0-0 Le7 7.c4 d5 8.cxd5 Sxd5 9.Sc3 Lb7 10.Se5 0-0 11.Dh5 Sf6 12.Dh4

Richter-Babula 1

Das ist eine theoretisch bekannte Stellung, in der Schwarz schnell stolpern kann. Erstaunlich, dass ein so starker Spieler wie Babula das auch tut. 12…Sc6?! Bekannt ist 12…Se4, was z.B. zwischen Machelett, Heiko (2430) und Hoffmann, Michael (2471) letztes Jahr in der Bundesliga geschah. 13.Lg5

Richter-Babula 2

13…g6?? Der eigentliche Verlustzug! Schwarz sollte versuchen, das Endspiel nach 13…Sxe5 14.Lxf6 Sxd3 15.Lxe7 Dc7 16.Lxf8 Txf8, Belikov,V (2564)-Lazarov,A (2345), Alushta 2007, zu halten. 14.La6! Diesen Ausheber haben schon einige übersehen. Materialverlust ist nicht zu vermeiden.14…h6 15.Lxh6 Sd5 16.Dh3 1-0

Roos, Michael GER (2367) – Feygin, Michael (2569)
BL 0809 USV TU Dresden – SK Turm Emsdetten, 05.10.2008

Stellung nach 25…Dc7:

Roos-Feygin

26.Lxd5?? Vielleicht der gröbste Einsteller des Wochenendes. 26.a5 Sbd7 27.Sxd5 wäre etwas besser für Weiss gewesen. 26…Txe3! Und da die Stellung nach 27.fxe3 Sbxd5 28.Db5 Sxe3+ 29.Kg1 Dxc3 hoffnungslos gewesen wäre, gab Weiss auf. 0-1

Kommentare

13 Antworten zu “Die Gurken des Wochenendes (12)”

  1. Christian Eichner am 06. Oktober 2008, 23:14

    zur Partie Babula – Eichner:

    Die Einschätzung wird stimmen, doch hat Weiss nach 22-¦ Txh7 Kxh7 23.h5 Kg7 noch einen Giftpfeil im Köcher: 24.Le4!
    Dann verliert z. B. 24 … Txe4? 25. hxg6!

    Schwarz muss erst einmal 24. … Dc7! (einziger Zug) finden und auch danach gut aufpassen.

  2. Michael Buscher am 07. Oktober 2008, 08:48

    Zu Deglmann-Abel: Sechssteiner wie diese findet man inzwischen in der tablebase, und die besagt, dass das Endspiel nach der Variante 59. – h5 usw. für Schwarz gewonnen ist, es gibt also keinen Remisweg zu finden. Aber das Nachsehen in einer (vollständigen) Tabelle ist natürlich nicht mit dem Spielen am Brett mit noch ein paar Minuten Bedenkzeit vergleichbar. Ist für mich aber auch keine echte Gurke, denn den Zwischenzug 60. – Kf7 in dieser Variante kann man m.E. sehr schnell übersehen – der Fehler ist nicht krass genug, oder ?!

  3. Ilja Schneider am 07. Oktober 2008, 11:41

    Ärgerlich ist es trotzdem. Neben dem verlorenen halben hat Dennes leider vier Fans aus Hannover enttäuscht, die (extra?) deswegen nach einem Schnellturnier in der Hansestadt noch vorgekommen sind, um Hannovers Exportprodukte in Aktion zu erleben. Insgesamt war es für Dennes aber mit 1,5/3 trotzdem ein sehr guter Ligaeinstand – hätte ich mir damals mit 0,5/6 auch gewünscht….

  4. Georgios Souleidis am 08. Oktober 2008, 11:07

    Ich gebe zu, für diese Aufgabe einige Beispiele ausgesucht zu haben, die keine krassen Gurken sondern eher ein paar Gürkchen enthalten.

  5. Lenfant am 08. Oktober 2008, 14:33

    Da ich mal annehme, das Du/Sie auch für die Homepage von schachbundesliga.de verantwortlich bíst/sind: Könnte man bei der Downloadoption der Partien für die aktuelle Saison einen Punkt zum Downlaod von allen Partien der laufenden Saison einbauen? Da stehen jetzt die Partien der Runden 1 und 2 und, falls vorhanden, Runde 7 und wenn einer erst zur Runde 5 oder 6 „vorbeischaut“, muss er sich Runde +Runde + usw. selber zusammenbasteln!

  6. Georgios Souleidis am 08. Oktober 2008, 15:02

    Hallo Lenfant,
    du kannst mich natürlich duzen. Die Umsetzung deines Vorschlags hat den Nachteil, dass die Partien vom User dann umständlich sortiert werden müssten, falls man die Runden-Chronologie als wichtigsten Massstab nimmt. Als zusätzliche Download-Option werde ich das aber in Betracht ziehen und evtl. an unsere Webmasterin weitergeben.

  7. Lenfant am 08. Oktober 2008, 22:16

    Danke Dir, die Webmasterin werde ich demnächst auch berücksichtigen! Hatte gestern Abend ein Gespräch mit Christian H; naheliegend, ist ja bei uns im Verein und man spricht über dieses und jenes und heute beim Betrachten der Homepage der Bundesliga kam mir die Idee…Naja, so kommt manchmal eins zum anderen!!

  8. Georgios Souleidis am 08. Oktober 2008, 22:26

    In Zukunft darfst du ruhig wieder mich ansprechen. Ich gebe das dann an die entsprechende Stelle weiter. Der Ablauf war somit o.k.

  9. Frank Hoppe am 10. Oktober 2008, 06:37

    fxe5? in der Partie Lauber – Reiss ganz oben. Ich habe minutenlang auf das Brett geschaut und konnte beim besten Willen auf e5 keinen Stein entdecken – bis irgendwann der Groschen fiel. Es ist eigentlich üblich Diagramme immer mit Weiss unten und Schwarz oben wiederzugeben. Dann darf man auch auf die Koordinaten verzichten. Wenn das Brett jedesmal verdreht wird (warum auch immer), müssen zumindest die Koordinaten mit angezeigt werden. Gerade wenn die Anzahl der Steine immer weniger wird, ist es hilfreich zu wissen, das Schwarz diesmal unten ist.

  10. Lenfant am 10. Oktober 2008, 14:14

    Man kann drauf kommen, welche Seite oben bzw. unten ist- aber richtig, man muss nicht! Viell. in Zukunft eine einheitliche Lösung finden…

  11. Georgios Souleidis am 10. Oktober 2008, 21:45

    In diesem Beitrag ist es einheitlich. Ich habe die Diagramme so angeordnet, dass man besser nachvollziehen kann, was derjenige, der am Zug ist, falsch gemacht hat. An einem richtigen Brett schaut man ja auch nicht immer von der weissen Seite drauf. Hätte nicht gedacht, dass das ein Problem darstellt. Vielleicht in Zukunft mit Koordinaten.

  12. Frank Hoppe am 11. Oktober 2008, 10:07

    Das Weiss unten ist, dachte ich wäre ein ungeschriebenes Gesetz. Dem ist wohl doch nicht so. Die Rochade hatte in einem ihrer letzten Hefte auch einen Artikel mit verdrehten Brettern. Wenn man daran gewöhnt ist, das Weiss unten ist, tut es richtig weh in den Augen, wenn das Brett mal andersrum ist. In der Partie Deglmann – Abel würde ich spontan, ohne den Text gelesen zu haben, für Schwarz am Zug a2-a1D empfehlen. Dann liest man den Text und muss erstmal aus dem Denkschema rauskommen und innerlich das Brett drehen.
    Ich mag ja der Einzige sein, den das stört, aber ich habe mich 34 Jahre an die „richtige“ Darstellung gewöhnt und tue mich mit einer Umgewöhnung schwer.
    Damit noch ein wenig mehr Farbe ins Spiel kommt, könnte man die Figuren auch mal von links nach rechts und umgekehrt laufen lassen. Wer weiss, vielleicht ist das der zukünftige Standard, um die Kiebitze zufriedenzustellen, die immer neben dem Brett stehen und sich daran gewöhnt haben 😉

  13. Frank Hoppe am 11. Oktober 2008, 10:12

    Ergänzend wäre noch zu sagen, das es mir an einem normalen Brett egal ist, wo die Figuren stehen. Auf Computerdarstellungen und in Zeitungen sieht das schon anders aus. Bei ChessBase oder Fritz und Co. ist Weiss bei mir generell unten. Ich kenne natürlich auch Zeitgenossen, die das Brett drehen, weil sie mit Schwarz gespielt haben. Das wäre mir völlig zuwider.

    Im Übrigen: abgesehen von der fehlenden Lesefreude toller Artikel!

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