Auf der Seite von DeepChess veröffentlichen FM Thomas Michalczak und ich seit einigen Monaten ausführliche Theorieartikel zu bestimmten Eröffnungssystemen. Letzte Woche erschien die 5. Ausgabe. Dieses Mal haben wir die Nimzowitsch-Variante in der Sizilianischen Verteidigung unter die Lupe genommen. Die gängigen Eröffnungswerke behandeln diese Spielweise sehr stiefmütterlich und so fanden wir viele interessante Wege für Weiss und Schwarz, das jeweilige Spiel zu verbessern. Da ich die in den Theorieartikeln empfohlenen Systeme und Varianten selbst anwende, nahm ich am Wochenende die Gelegenheit wahr meine Analysen in der Praxis zu testen. In Essen kam es zum Bundesligakampf SF Katernberg-SG Porz und am 7. Brett bekam ich es mit dem starken Russischen Grossmeister und Vielspieler GM Oleg Korneev zu tun:

Korneev, Oleg (2603) – Souleidis, Georgios (2401) [B02]
1. Bundesliga Essen(8), 04.02.2007

1.e4 c5 2.Sf3 Sf6 3.e5 Sd5 4.Sc3 e6 5.Sxd5 exd5 6.d4 Sc6

Diagramm 1

7.c3 Ein eher harmloser Zug, der dem theoretischen Duell aus dem Wege geht. Trotzdem muss Schwarz genau spielen, um Ausgleich zu erzielen. Nach der Partie fiel mir auf, dass Korneev diesen Zug schon einmal gespielt hatte. [Leider liess sich Weiss nicht auf die Verwicklungen nach 7.dxc5 Lxc5 8.Dxd5 ein. Danach stehen Schwarz zwei Wege zur Verfügung: 8…Db6 (und 8…d6 ) ] 7…d6 [7…cxd4 8.Sxd4 Sxe5 9.Lf4 d6 10.Lb5+ Ld7 11.Db3 Sc6 12.Dxd5 Df6 13.g3 Tc8 14.0-0-0 Le7 15.Sf3 Le6 16.Dg5 d5 17.Dxf6 Lxf6 18.Le5 Lxe5 19.Sxe5 0-0 20.The1 Tfd8 21.Kb1 Kf8 22.f4 Lf5+ 23.Ld3 Lxd3+ 24.Txd3 Td6 25.Ted1 Tcd8 26.Sf3 f6 27.Sd4 Sxd4 28.Txd4 Ke7 29.f5 T8d7 30.Kc2 b5 31.a4 bxa4 32.Txa4 a6 33.Tda1 Ta7 34.Kd3 Tb6 35.b4 Kd6 36.Kd4 Kc6 37.Ta5 Ta8 38.Te1 Tb5 39.Te6+ Kc7 40.Texa6 Txa5 41.Txa5 Te8 42.Kxd5 Te5+ 43.Kd4 Te2 44.Kc5 Txh2 45.Ta7+ Kc8 46.b5 1-0 Korneev-Recuero Guerra, Dos Hermanas 2006] 8.Ld3

Diagramm 2

cxd4 [8…Lg4! scheint direkt auszugleichen. 9.h3 (9.0-0 dxe5 10.dxe5 Le7 ist die Stellung, die Schwarz anstreben sollte.) 9…Lh5 10.g4 (10.exd6 Lxd6 11.dxc5 Lxc5 12.De2+ De7 13.Dxe7+ Kxe7=) 10…Lg6 11.Lxg6 hxg6 12.Db3 De7 mit Gegenspiel] 9.cxd4 dxe5 10.Sxe5 Lb4+ [10…Ld6 11.Sxc6 bxc6 12.Dc2 und Schwarz hat Probleme sich zu entwickeln: 12…0-0!? 13.Lxh7+ Kh8 14.Ld3 La6 15.0-0 Lxd3 16.Dxd3 Dh4 17.h3 und Weiss steht etwas besser] 11.Ld2 Da5 [11…Db6 12.0-0 0-0 13.Sxc6 bxc6 14.Lxb4 Dxb4 15.Dc2 Dxd4 16.Lxh7+ Kh8 17.Dxc6 (17.Tad1 ist etwas besser für Weiss) 17…Lg4 18.Lc2 Tfc8 19.Da4 Tc4 20.Db3 Dd2 21.Db7 Tac8 22.Lb3 T4c5 23.Dxa7 Le2 24.Dxf7 Tc1 25.Taxc1 Txc1 26.Df8+ Kh7 27.Df5+ g6 28.Df7+ ½-½ Maryasin-Vaganian, Minsk 1972;
11…Lxd2+ 12.Dxd2 Sxd4 erschien mir während der Partie zu riskant, es könnte folgen: 13.Df4 (13.0-0 Le6 14.Tac1 Db6 15.Tfd1 0-0 16.Lxh7+ Kxh7 17.Dxd4 Dxd4 18.Txd4 Tac8=) 13…f6 14.Dxd4 (14.Sg6 Da5+ 15.Kf1 hxg6 16.Lxg6+ Kf8 17.Dxd4 ist unklar) 14…fxe5 15.Dxe5+ De7 16.Dxe7+ Kxe7 17.Kd2 und Weiss steht etwas besser;
11…Dg5!? 12.Sxc6 Dxg2 13.De2+ Le6 14.0-0-0 Lxd2+ 15.Dxd2 bxc6 16.Thg1 Dxh2 17.Txg7 0-0-0 18.La6+ Kd7 sieht ziemlich riskant aus für Schwarz, ist aber im Gewinnsinne interessant.] 12.Sxc6 bxc6 13.a3 Lxd2+ 14.Dxd2 Dxd2+ 15.Kxd2 Ke7

Diagramm 3

Dieses Endspiel hatte ich bei 8…cxd4 angestrebt. Weiss steht zwar etwas besser, doch Schwarz sollte genügend Ressourcen besitzen, um die Stellung zu halten. 16.Thc1 Ld7 17.Tc5 a5 18.a4!?

Diagramm 4

Weiss möchte früher oder später b4 spielen und sich einen freien a-Bauern sichern. Da der Plan aber nicht zu funktionieren scheint, wäre es wohl besser gewesen, sich diese Option für später aufzusparen. Allerdings kann ich nicht erkennen, wie Weiss im Gewinnsinne sonst fortfahren soll. 18…Thb8 19.Kc3 Kd6 20.b3 [20.b4!? schlug Korneev nach der Partie vor. Bei genauem Spiel endet die Partie bald Remis: 20…axb4+ 21.Kb3 Ta7 22.a5 Lc8 23.Ta4 La6 (23…Tba8 24.Kxb4 Tb8+ 25.Kc3 La6 26.Lxa6 Txa6 27.Tb4 Tba8 28.Tb7 Txa5 29.Txa5 Txa5 30.Txf7 Ta2 31.Kd3 Ta3+ 32.Ke2 Ta2+ 33.Kf3 Ta3+ 34.Ke2 Ta2+=) 24.Lxa6 Txa6 25.Txb4 Tba8 26.Tb7 Txa5 27.Txa5 Txa5 28.Txf7 c5 29.dxc5+ Txc5 30.Txg7 d4 31.Txh7 d3 32.Th8 Ke7 33.Th7+ Kd6 34.Th6+ Kd7 35.Th7+ Kd6=;
20.Tb1 war der Zug, den ich während der Partie befürchtete. Aber 20…Te8 sichert Gegenspiel: 21.b4 axb4+ 22.Txb4 Te1] 20…Ta7! Danach wird Tb1 immer mit der Turmverdoppelung auf der a-Linie beantwortet. Ab jetzt funktioniert kein Durchbruch von Weiss vernünftig. 21.Te1 [21.Tb1 Tba8!= und der Durchbruch b4 wird verhindert; (21…Te8 sollte allerdings auch möglich sein, denn 22.b4 axb4+ 23.Txb4 Te1 führt zu schwarzem Gegenspiel) ] 21…g6 22.h4 h5 23.g3 Lg4 24.Tb1 Tba8!

Diagramm 5

25.Te1 Tb8 26.Lc2 Von dort ist der Bauer a4 indirekt geschützt, was weisses b4 wieder möglich macht. Allerdings erhält Schwarz, sobald Weiss Tb1 spielt, durch Te8 Gegenspiel. 26…Ld7 27.Te5 [27.Tb1 wird jetzt mit 27…Te8 beantwortet und da Weiss den Turm nicht nach e2 lassen darf, kann Weiss nicht b4 spielen. 28.Ld3 Tea8!=] 27…Lg4 28.Te3 Ld7 29.f3

Diagramm 6

Ab hier fing Weiss an, in Ermangelung eines vernünftigen Plans, die Züge zu wiederholen. 29…Le6 30.Te5 [30.Ld1 Ld7 31.g4 hxg4 32.fxg4 f5! mit genügend Gegenspiel.] 30…Ld7 31.Te3 [31.f4 Lg4!= 32.f5?! gxf5 33.Lxf5 Ld1 34.Lc2 Lxc2 35.Kxc2 Tb4 36.Txh5 Txd4 37.Tc3 Te7 38.Tf5 (38.Tf3 Te2+ 39.Kc3 Td1 und hier kann nur Schwarz gewinnen.) 38…Te2+ 39.Kc1 Te1+ 40.Kc2 Te2+=;
31.Tg5 Le8! und wegen der Drohung f6 muss der Turm wieder zurück: 32.Te5 Ld7=] 31…Le6 32.Te2 Ld7 33.Te1 Taa8 34.Ld3 Ta7 35.Te2 Tba8 36.Te3 Tb8 Und aus Versehen wiederholte Weiss mit 37.Lc2 zum dritten Mal die gleiche Stellung, die aber inzwischen vollkommen ausgeglichen ist. ½-½

Nachdem die Partie beendet war, ging es Schlag auf Schlag: In mehreren Zeitnotschlachten neigte sich die Waage zu unseren Gunsten und wir gewannen „sensationell“ gegen eines der Top-Teams der Liga mit 5:3. Die Freude auf Katernberger Seite war natürlich riesengross und der historische Triumph wurde noch am selben Abend gebührend gefeiert. Auf der Seite von SFK kann man die Chronologie der angenehmen Überraschung nachlesen.

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