Die folgende Perle schickte mir Kay Grothues-Lay ein. Sie besticht durch einen schönen Gewinnzug in einem schwierigen Turmendspiel. Da Kay mit einer DWZ von 1648 ein eher durchschnittlicher Vereinsspieler ist, war es eine tolle Leistung den kompletten Gewinnweg durchzurechnen.

Gerlach, Andreas (1443) – Grothues-Lay, Kay (1648)
20. Sommerschach Dortmund, 11.08.2005

[Grothues-Lay,Kay]

Stellung nach 56.Td2:

Hier bot mir mein Gegner eine Punkteteilung an. Irgendwie wollte ich nicht wahr haben, dass ich gegen einen etwa 200 DWZ-Punkte schwächeren Gegner nur einen halben Punkt holen zu können, obwohl ich bisher alles andere als gut gespielt hatte. Da ich erst 40 Minuten (von insgesamt 120 Minuten) meiner Bedenkzeit bis hier verbraucht hatte, versenkte ich mich für etwa 45 Minuten in die Stellung. Heraus kam, dass Ka4! (falls ich mich nicht verrechnet hatte) gewann. Zwar ist der schwarze König ausserhalb des Quadrats des weissen Bauern auf e5, allerdings sollte ich -so meine Berechnung – auch einen Bauern durchbringen können…

56…Ka4!-+ 57.e6 Kb3 58.e7 Txd2+ 59.Kxd2 Kxb2 60.e8D

Hier ist die Stellung in der ich einfach 4 Züge lang nur 2 Bauern für die Dame habe. In meiner Vorausberechnung hatte ich gesehen, dass die weisse Dame weder ein Schach geben noch die Umwandlung meines Bauern verhindern konnte. Selbst nach einem Damentausch sollte jetzt der weit vorgerückte b-Bauer den Sieg bringen.

60…c3+ 61.Ke2 c2 62.Da4 62.Db5 b3 63.Dxd5 c1D war zäher, verliert jedoch ebenfalls 62…b3 63.Da5 c1D 64.Da7 Dc2+ 65.Ke1 Dd3 66.Kf2 Dd2+ 67.Kf1 Dxe30-1

Fazit: Der Anfang der Partie war von mir alles andere als gut gespielt. Mein Gegner fand zwar nicht immer die besten Züge, aber ich bin vielleicht zurecht ein bisschen stolz auf meine Berechnung vor meinem 56. Zug. Selbst Fritz 11 findet vor Suchtiefe 21 nicht den gewinnbringenden Zug 56. … Ka4! Dass sich meine Berechnung erst auf einer so für mich doch schon sehr hohen Suchtiefe durch ein Computerprogramm bestätigte, war für mich um so überraschender.

Hoffentlich fühlen sich weitere Leser inspiriert, mir ihre besten Züge oder gar beste Partien ihrer Karriere einzusenden. Ich werde sie weiterhin gerne veröffentlichen.

Kommentare

9 Antworten zu “Die Perle meiner Karriere (7)”

  1. Stefan am 26. August 2008, 14:22

    Ein schöner und mutiger Zug von Kay. Glückwunsch!

  2. Kay Grothues-Lay am 27. August 2008, 00:10

    Hallo zusammen!

    @Stefan: Danke!

    @all:
    Was mich eigentlich interessiert, ist, ob stärkere Spieler – wie zum Bsp Georgios – in einer Turnierpartie in dieser Stellung den Zug Ka4 sofort gesehen oder lieber den halben Punkt genommen hätten. Kompliziert waren für mich die Varianten, in denen Weiss nicht e6 sondern etwas wie Te1 gezogen hätte.

    Gruss Kay

  3. Georgios Souleidis am 27. August 2008, 11:35

    Starke Spieler hätten das bestimmt auch schnell gefunden. Ob ich das gesehen hätte, weiss ich nicht.

  4. Kay Grothues-Lay am 27. August 2008, 13:03

    Hallo Georgios!

    Was verstehst Du dann unter stark, wenn Du schon nicht sicher bist?

    Gruss Kay

  5. Georgios Souleidis am 27. August 2008, 13:31

    Ich wollte nur ironisch sein, auch um deine Leistung nicht zu hinterfragen. O.k., jetzt so objektiv wie möglich. Ich denke, dass die Hauptvariante für einen Titelträger, also auch für mich, schnell zu berechnen ist. Man sieht, dass die Dame gegen die zwei Bauern nichts ausrichten kann. Interessant wäre die Sache, wenn Weiss nach 56…Ka4! das bessere 57.Td1 gespielt hätte. Darauf gewinnt 57…Kb3! auch, aber nicht so einfach wie in der Partie. Mit 45 Minuten Bedenkzeit, wie du sie hattest, hätte ein Titelträger kein Problem, auch das auszurechnen, aber mit wenig Bedenkzeit und je nach Turniersituation, kann ich nicht sagen, ob man sich darauf einlassen würde, im Hinterkopf die fixe Idee habend, dass man sich irgendwo verrechnet haben könnte. 56…Ka4! ist ein toller Zug, insbesondere wenn man es in Relation zu deiner Spielstärke setzt. Also eine wirklich gute Leistung.

  6. Michael Buscher am 28. August 2008, 09:20

    Hallo Kay (und die anderen Leser),

    wenn ich mich mal frei von Bescheidenheit als stärkeren Spieler bezeichnen darf…
    Ich denke, dass ich Ka4 innerhalb weniger Sekunden als den kritischen Zug erkannt hätte, weil es ziemlich offensichtlich ist, dass der Turm und die beiden Bauern alleine es nicht schaffen können. Angesichts der hohen Verantwortung bei dem Verlassen des Quadrates würde ich (genügend Bedenkzeit vorausgesetzt) den Zug nach etwa 20 min. ausgeführt haben. Die Berechnung ist letztlich nicht so schwierig, weil die Varianten aufgrund der eingeschränkten Zugmöglichkeiten des Weissen nicht sehr stark verzweigen.
    Überhaupt besteht nach meiner Ansicht einer Hauptunterschiede zwischen Spielern meiner Stärke und Spielern mit sagen wir Bezirksliganiveau weniger darin, dass die Berechnungen schneller oder weiter erfolgen, sondern effizienter durch die deutlich bessere Auswahl der Kandidatenzüge, was insbesondere im Endspiel gestützt wird durch die Kenntnis zahlreicher typischer Elemente, die zudem eine präzisere Abschätzung der Endstellungen bei der Berechnung ermöglicht. Im Klartext: Wenn ich weiss, dass ich bei der Konstellation wTa8, Ba7 bei sT auf der a-Linie und sK auf g7 oder h7 mit einem zusätzlichen g- oder h-Bauern nicht gewinnen kann, sondern nur mit einem Bauern b- bis f-Linie, brauche ich das nicht weiter zu rechnen. Schwächere Spieler betrachten zu viele irrelevante Varianten oder führen Züge aus, die einfach nicht in Betracht kommen!

    MfG, Michael

  7. Stefan am 28. August 2008, 09:23

    Die Frage „Hätte ich das auch gefunden?“ ist schwer zu beantworten, finde ich. Die Situation, eine Stellung als Aufgabe vorgesetzt zu bekommen, unterscheidet sich vollkommen von der Partiesituation. Derjenige, der die Partie gespielt hat, steckt natürlich viel mehr in der Stellung, den Ideen, drin, die über viele Züge zusammengekommen sind. Derjenige, der das Diagramm sieht, hat diesen Vorteil nicht, andererseits weiss er, dass hier „etwas geht“ und läuft nicht an der Chance vorbei.

    Und ausserdem: Stärkere Spieler hätte gegen DWZ 1443 wahrscheinlich nicht 60 Züge gebraucht 😉

  8. Kay Grothues-Lay am 28. August 2008, 11:49

    @Michael:
    Sagen wir es mal so … so wie mein Gegner weitergespielt hat, war es realtiv einfach für mich. Ich hatte mich bei der Berechnung der Varianten auch eher auf die gestürzt, in denen Weiss den Turmtausch auf d2 nicht zulässt und die sind meiner Meinung nach alles andere als einfach, da Schwarz fast immer vor dem Abgrund steht. Aber mit steigender Spielstärke ist die Berechnung wahrscheinlich (auch wegen grösserer Kenntnis der „Standardmotive“) wesentlich einfacher.

    @Stefan:
    Als Aufgabe ist die Ausgangsstellung mit der Vorgabe „Wie gewinnt Schwarz?“ aber auch nicht ohne.
    In der Partie war ich übrigens völlig ideenlos, wie ich die Partie gewinnen sollte und habe wie in einer Aufgabe nach Lösungsmöglichlkeiten gesucht. Vielleicht auch deshalb die 45 Minuten für die Berechnung 😉

  9. Hamburgs langweiligster Schachspieler am 28. August 2008, 15:30

    Da ich nach Stefans Definition zu den stärkeren Spielern gehöre (meine letzte Turnierpartie gegen jemanden dieses Niveaus habe ich nach 59 Zügen gewonnen), melde ich mich ebenfalls zu Wort:

    Die Entscheidung zu 56…Ka4 wäre mir wohl recht leicht gefallen, da die Hauptvariante (57.e6) wegen ihres linearen Verlaufs einfach zu berechnen ist, während man nach 57.Td1 notfalls noch mit 57…Txd1 58.Kxd1 Kb5 ins Quadrat zurückkehren und remis halten kann.
    Hätte Weiss mit 57.Td1 fortgesetzt, dann hätte ich sicherlich einige Bedenkzeit investiert, ehe ich mich zu 57…Kb3 entschlossen hätte (wobei ich nicht ausschliessen kann, dass ich mich z.B. bei knapper Bedenkzeit dann doch für das sichere Remis entschieden hätte).

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