Am Wochenende fand die zweite Doppelrunde der laufenden Bundesligasaison statt und wäre der Kampf SK Zehlendorf – SF Katernberg nicht gewesen, dann hätte ich kaum etwas zu berichten gehabt. Denn dieses Mal leisteten sich die Spieler kaum grobe Patzer. Interessant ist, und das ist schon in der Vergangenheit aufgefallen, dass fast alle Fehler am Sonntag geschahen. D.h., dass die Spieler weiterhin mit der „frühen“ Ansetzung viel schlechter zurechtkommen.

Schachbundesliga 3. Runde:

Seel,Christian (2495) – Paehtz,Elisabeth (2452)
BL 0708 SF Katernberg – SC Kreuzberg (3.6), 24.11.2007

Stellung nach 22..Db5:

Diagramm 1

Nachdem Weiss schon klaren Vorteil hatte, musste er nun umdenken. 23.Dxh7?? Das stellt einzügig eine Figur ein. Eine klassische Gurke. 23.Dc2 mit etwas Vorteil war noch möglich. 23…Txc3! 24.Txf7+ Kxf7 25.Txc3 Tc8! Und Schwarz verwerte souverän die Mehrfigur. 26.Txc8 Sxc8 27.De4 Sd6 28.Df3+ Ke7 29.b3 Dd3+ 30.Kb2 a4 31.Df4 Dd2+ 32.Ka3 Sb5+ 0-1

Schachbundesliga 4.Runde:

Golod,Vitali (2586) – Volke,Karsten (2472)
BL 0708 SC Kreuzberg – SV Mülheim Nord (4.5), 25.11.2007

Stellung nach 22.Lxc4:

Diagramm 2

Eine verworrene Stellung, da einige Figuren in der Luft hängen. 22…Sxe3?? Oh, Springer gegen Bauer ist kein guter Tausch. Nach 22…Sb4! wäre es spannend geblieben. 23.Lxe3 Txa4 24.Lb5 Das hat Schwarz vielleicht übersehen. Die Mehrqualität reichte Weiss, um schnell zu gewinnen. 24…Sb6 25.Lxa4 Sxa4 26.b3 Sc3 27.Tc1 Sa2 28.Td1 Lxg2 29.Tg1 Lf3 30.Txd6 Sc3 31.Txg7+ Kh8 32.Ld4 Te8+ 33.Kf1 1-0

Gyimesi,Zoltan (2610) – Naumann,Alexander (2548)
BL 0708 Solinger SG – SC Eppingen (4.3), 25.11.2007

Stellung nach 20.Sxa4:

Diagramm 3

Beginnend mit 20…Sb6 sollte sich Schwarz den Bauern früher oder später zurückholen können. Doch er will es direkt wissen. 20…Sxc5?? 21.Lxc5 Lxc5 21…Sd7 22.Lxe7 Txc2 23.Txc2+- sind einfach zu viele Figuren für die Dame. 22.Dxc5! Uups. Nach 22…Txc5 23.Txc5 müsste Schwarz auch noch den anderen Turm geben, damit die Dame ein Rückzugsfeld findet. Da dies zuviel des Guten gewesen wäre, gab Alexander, ein bekanntermassen sehr fairer Spieler, sofort auf. 1-0

Fish,Gennadij (2546) – Casper,Thomas (2421)
BL 0708 Werder Bremen – Erfurter SK (4.8), 25.11.2007

Stellung nach 26…Ted8:

Diagramm 4

Eine schwierige Stellung, in der der sonst sehr starke Bremer die Übersicht verliert. 27.Txd4?? Das geht komplett nach hinten los. 27.Sxf6+! Lxf6 28.e5 ist interessant. 27…Ta7! Die Fesselung ist tödlich und nach einer Reihe von einzigen Zügen, macht Schwarz den Sack zu. 28.Dd5+ Kh8 29.De6 Dc8! 30.Lh3 f5!-+

Diagramm 5

31.Se5 Dxe6 31…Dc5!-+ wäre schön gewesen, aber auch so ist es einfach. 32.Txd8+ Lf8 33.Txf8+ Kg7 34.Td8 De7 35.Td5 Db4 36.Sd3 Dxc4 0-1

Und nun zum Kampf der Kämpfe. Zehlendorf und Katernberg boten Abstiegskampf pur. Für meinen Geschmack war da insgesamt etwas zu viel Zockerei (auch ungewollt) im Spiel, aber alles im Rahmen des Erlaubten. Während die Bretter 1 und 6 (schnell) und Brett 4 nach längerem Kampf sich auf remis einigten, bot sich den Zuschauern, die dieses Mal leider nicht in Scharen vorbei kamen, ein vergnügliches Treiben, das mehr als vier Euro Eintritt wert war. Doch der Reihe nach:

Novikov,Stanislav (2534) – Glek,Igor V (2543)
BL 0708 SK Zehlendorf – SF Katernberg (4.2), 25.11.2007

Stellung nach 34.Kh2:

Diagramm 6

Novikov hatte sich verspekuliert, doch Glek befindend sich ausnahmsweise mal in horrender Zeitnot ((Vgl.: Die Gurken des Wochenendes (5))). 34…g5?! 34…Tf3! und Schwarz steht besser 35.Dxf6 Dxf6?? Das ergibt ein hoffnungsloses Endspiel. Ein Läufer und zwei Randbauern für einen Turm macht jedem Spass. 35…De4! mit Tempo und die Dame hält auf der Diagonalen alles unter Kontrolle. Die Sache wäre spannend geblieben. 36.Lxf6 Tf3 37.Lxg5 Txf2+ 38.Kh3 Ta2 39.Tb5 a6 40.Td5 Kb7 40 Züge haben wir heute mal geschafft, aber Weiss steht auf Gewinn. 41.h5 Kc6 42.Tf5 Th8 43.h6 Ta1 44.Kg4 Th1 45.Tf6+ Kb5 46.Tf5+ Ka4 47.Lf4 Tg8+ 48.Tg5 Th8 49.Th5 Tg8+ 50.Lg5 Tf1 51.h7 Th8 52.Lf4 Tb1 53.Le5 Tb4+ 54.Kh3 Tb5 55.Th4+ 1-0

Postny,Evgeny (2599) – Berczes,David (2430)
BL 0708 SK Zehlendorf – SF Katernberg (4.3), 25.11.2007

Stellung nach 34.a6:

Diagramm 7

Der junge Ungar hatte eine richtig geile Partie gespielt, doch anscheinend hat er Probleme mit seiner Zeiteinteilung. 34…g5? 34…Tg2!;
oder 34…Sd4 ;
oder 34…b2 mit grossem Vorteil wären allesamt möglich gewesen. 35.Txb3? 35.Tf1! 35…f4+?? 35…g4!-+ 36.gxf4 exf4+ 37.Ke4 Der Vorteil ist verspielt. 37…Th1 38.Kd5?! 38.Ld6! 38…Se7+ 39.Kc5 f3 40.Ld8? f2? 40…Td1! 41.Tb2! f1D 42.Lxf1 Txf1 43.Te2 b3! 44.Lxe7+ Kf7 45.Ld6 Tf5+ 46.Kb4 Tf6 47.Kc5 Tf5+ 48.Kc4 Ta5 49.Te7+ Kg6 50.Txa7 b2 51.Tb7 Txa6 52.Le5 Kf5 53.Lxb2 g4 54.Kd3 g3 55.Ke2 Tg6 56.Kf1 g2+ 57.Kg1 Tg4 58.Tb3 Ke4 59.Lc1 Tg6 60.Te3+ Kf5 61.Ld2 Tg4 62.Ta3 Tg8 63.Le1 Kf4 64.Lf2 Tg6 65.Kh2 Ke4 66.Lg3 Tg8 67.Kxg2

Diagramm 8

Nach den vielen Irrungen und Wirrungen, die vielleicht das eine oder andere weitere Diagramm verdient gehabt hätten, ist eine theoretische Remisstellung entstanden, die aber mit guten praktischen Chancen für die stärkere Partei weitergespielt werden kann. Als ich aber einen Blick auf den Zeitverbrauch warf, traute ich meinen Augen nicht. Berczes hatte es geschafft seine Uhr auf ca. 40 Sekunden ablaufen zu lassen! Mir war klar, dass er das allein schon aus mechanischen Gründen gar nicht mehr halten werden kann. Folgerichtig gewann Postny und am Ende wäre es auch Matt geworden. 67…Tc8 68.Ta4+ Kf5 69.Lf2 Tc3 70.Kf1 Tb3 71.Ke2 Ke6 72.Le3 Kf5 73.Kf3 Ke5 74.Ta5+ Ke6 75.Ke4 Tb1 76.Ta6+ Kd7 77.Kd5 Td1+ 78.Ld4 Td2 79.Ta7+ Kd8 80.Kc5 Ke8 81.Th7 Td1 82.Le5 Tc1+ 83.Kd6 Kf8 84.Ke6 Tc6+ 85.Ld6+ Kg8! 86.Th2 Tc1?? 1-0

Firman,Nazar (2526) – Berger,Steve (2410)
BL 0708 SK Zehlendorf – SF Katernberg (4.5), 25.11.2007

Stellung nach 25.Dc2:

Diagramm 9

Nazar Firman ist inzwischen Stammgast in dieser Reihe. Schon letztes Jahr gewann er mehrfach durch haarsträubende Fehler seiner Gegner ((Vgl.: Insbesondere Die Gurken des Wochenendes (3))). Vielleicht sollte er für Katernberg simultan spielen. 25…Dh6? Lässt die Dame unnötig eindringen. 25…Dxc2 26.Txc2 ist kaum besser für Weiss. 26.Dc7 Sc5?? Das stellt die Partie sofort ein. Nach 26…Tb8 hätte Weiss immerhin genau spielen müssen. 27.e4 Se8 28.Dg3 Txd4 29.Txd4 Dxc1 30.Txd7 Dc8 31.Te7!+- 27.Sf5!

Diagramm 10

Danach ist grosser Materialverlust nicht mehr zu vermeiden, denn 27…exf5 ist wegen 28.Dxd8 nebst Matt nur bedingt möglich.
1-0

Siebrecht,Sebastian (2481) – Orzech,Dominik (2483)
BL 0708 SK Zehlendorf – SF Katernberg (4.7), 25.11.2007

Stellung nach 73.Ke7:

Diagramm 11

Rein technisch war Weiss nicht in der Lage seine überlegen geführte Partie zu krönen. Aber Siebrecht wäre nicht bekannt wie ein bunter Hund, wenn er nicht bis zum nachkten Opa verbissen um den vollen Punkt kämpfen würde. 73…Ld1 74.e6 Die letzte Patrone geht in die Luft. 74…fxe6 75.Kxe6 Lg4+ 76.Ke7 a3! 77.Txa3 Lxh5 78.Tg3+ Lg6 79.Ke6 h5 80.Tg1 Kh6 81.Kf6 Lh7 82.Ta1 Le4 83.Ta4 Ld3 84.Td4 Lc2 85.Td8 Lg6 86.Tg8 Lc2 87.Ke5 Lg6 88.Kf4 Lc2 89.Tc8 Ld3 90.Tc6+ Lg6 91.Tb6 Kg7 92.Kg5 Lf7 93.Tb7 h4 94.Kxh4

Diagramm 12

O.k., es ist kaum noch was auf dem Brett und die Gewinnchancen sind eher theoretischer Natur. Da der Kampf aber gelaufen war und den bis zum Schluss ausharrenden Zuschauern eine Show geboten werden soll, wird weitergespielt. Da Siebrecht noch drei und Orzech noch sechs Minuten auf der Uhr hatte, kann man auch nicht von „über die Zeit ziehen“ sprechen. 94…Kf6 95.Kg4 Ld5 96.Tb5 Ke5 97.Kg5 Ke6 98.Kf4 Kd6 99.Ke3 Ke5 100.Tc5 Kd6 101.Kd4 Le6 102.Th5 Lf7 103.Th6+ Le6 104.Tg6 Ke7 105.Ke5 Lf7 106.Tg7 Ke8 107.Kf6 Lc4 108.Tc7 Lb3 109.Tc3 La2 110.Td3 Lc4 111.Td4 La2 112.Ta4 Lb3 113.Ta7 Lc4 114.Ke5 Lb3 115.Kd6 Lc4 116.Ta4 Lb3 117.Ta5

Diagramm 13

Irgendwo hier überschlugen sich die Ereignisse: Schwarz nahm seinen Läufer, stellte ihn auf a2 und massierte die Stange so lange, bis er vergass, dass diese von b3 kam. Irgendwann stellte der Pole den Läufer auf b1 ab! Weder Schiedsrichter noch die Spieler merkten es und blitzen weiter. Ich und einige andere Spieler konnten uns ein breites Grinsen nicht verkneifen. Die Übertragung kam nicht mehr mit und so konnten nur die Anwesenden Zeuge des weiteren Verlaufs werden. Irgendwann hatte der Mannschaftsführer von Zehlendorf die Faxen dicke und teilte seinem Spieler mit, dass er reklamieren sollte. Das aber verunsicherte diesen so sehr, dass er in eine Fesselung auf der Grundreihe lief und die Partie noch verlor.

Diagramm 14
(So oder so ähnlich stand es zum Schluss)
1-0

Klimm,Wolf-Dietrich (2286) – Souleidis,Georgios (2421)
BL 0708 SK Zehlendorf – SF Katernberg (4.8), 25.11.2007

Zum Abschluss ein Beispiel meiner tiefen Rechenkraft.
Stellung nach 27.Kg1:

Diagramm 14

Schwarz steht zwar optisch besser, doch eigentlich ist nich viel los. 27…Lxg3?! Mit Wucht gespielt, da ich einen vermeintlich forcierten Gewinn erspäht hatte. Die Sache hat aber einen Haken. 27…Df5 hält einen symbolischen Vorteil fest. 28.hxg3 Dxg3+ 29.Kh1 Dh3+ 30.Kg1 Dg3+ Um Zeit zu gewinnen, wiederhole ich die Züge. 30…Te8!? Nur dieser Zug wäre im Gewinnsinne ein Versuch wert gewesen, da das Dauerschach nicht wegläuft. Objektiv dürfte die Stellung aber remis sein. 31.Kh1 Te8

Diagramm 15

Alles klar dachte ich. Schwarz droht den Turm über e4 nach h4 zu bringen und Matt zu setzen. Ich sah keine Verteidigung mehr und stand auf. 32.Te1?? Ohne gross nachzudenken gespielt. 32.Dh5! Danach ist es einfach remis, da Schwarz das Dauerschach nicht verhindern kann. Aber weder mein Gegner, der sich kaum in Zeitnot befand, noch die Kiebitze und ich sowieso nicht hatten diesen Zug gesehen. Auch später am Abend, als die Kollegen Halkias, Siebrecht und Löffler auf die Stellung schauten, bekam ich nur Schulterklopfer. Welch kollektive Blindheit. Erst am Montag morgen weckte mich eine E-Mail von Sebastian Siebrecht aus meinen süssen Träumen. 32…Txe3 33.Dg6+ Kf8 34.Tf1+ Tf3 (34…Ke7?? würde sogar zum Matt führen.) 35.Dxh6+ Ke7 36.De6+ Kd8 37.Dg8+ Kd7 38.De6+= 32…Te4 33.Lf2 Weiss beweist Humor. 33…Th4# 0-1

Kommentare

5 Antworten zu “Die Gurken des Wochenendes (6)”

  1. Schachblogger am 27. November 2007, 13:51

    Zum unmöglichen Zug bei Siebrecht-Orzech:
    Der Zwischenruf des Zehlendorfer Mannschaftsführers, Orzech solle remis reklamieren, kam laut Augenzeugen, als der Pole den Läufer in der Hand hatte. Siebrecht hat nach eigenen Worten nicht bemerkt, dass der folgende Läuferzug illegal war, da vorher geblitzt wurde (und die Übertragung konnte nicht mehr mit, weil die Software illegale Züge nicht akzeptiert). Der Schiri hingegen hat nach eigener Aussage bemerkt, dass der Zug illegal war, meinte aber, er dürfe nicht eingreifen. Wäre mal interessant, was ein regelfesterer Zeitgenosse dazu meint.

  2. Hamburgs langweiligster Schachspieler am 27. November 2007, 18:52

    Meines Erachtens ist der Schiedsrichter sogar zum Eingreifen verpflichtet, wenn er einen Regelverstoss bemerkt; siehe Artikel 13.1 der FIDE-Regeln: „Der Schiedsrichter achtet auf striktes Einhalten der Schachregeln.“ (Und ein Läufer darf nun mal nicht von b3 nach b1 ziehen.)
    Nur im Schnellschach und Blitzschach darf der Schiedsrichter nicht auf regelwidrige Züge hinweisen (das ist sogar explizit in Anhang B6 der FIDE-Regeln erklärt).

    Mal eine ganz andere Frage an den Chef vom Blog: Bei wie vielen der neuen Gurken hast denn diesmal an einen Eingabefehler geglaubt?

  3. Georgios Souleidis am 27. November 2007, 18:57

    Erstmal danke für den Regelhinweis! Bei keiner der Gurken glaube ich an einen Eingabefehler. Sieht alles „normal“ aus. Oder hast gegenteilige Informationen?

  4. Hamburgs langweiligster Schachspieler am 27. November 2007, 20:44

    Mir sind keine gegenteiligen Informationen bekannt (das sollte nur eine Anspielung auf den vermeintliche Eingabefehler bei Sokolov-Kempinski sein 🙂

  5. BaerenHeart am 12. Dezember 2007, 08:38

    Hier stelle ich doch – zu meiner ungemeinen Beruhigung – mehrere an Knebel erinnernde Regelgegenwärtigkeiten fest
    😉

    wie so oft überlasse ich auch hier gern dem lieben Guert das letzte Wort – wage aber zu behaupten [unter uns: um nicht wiederholenderweise auf Hamburgisch/Pladdütsch zu langweilen], dass inhaltlich (fast) nix hinzuzufügen bleiben wird!

    http://www.chesscafe.com/geurt/geurt.htm

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