Der titel- und vereinslose Dr. Friedemann Brock (ELO 2236/DWZ 2032) gewann am Wochenende mit einer Eloperformance von 2771 das Open von Apolda ((http://www.schachopen-apolda.de/cgi-bin/schach/open.cgi?id=3)). An 18 gesetzt ((http://www.schachopen-apolda.de/cgi-bin/schach/open.cgi?id=5)), liess er knapp 10 Titelträger hinter sich und gewann souverän mit 6,5 aus 7. Was wie ein sensationeller Coup aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als „Fehler“ im Auslosungsmodus, denn Brock spielte gerade mal in der letzten Runde gegen einen nominell leicht stärkeren Gegner, den an 15 gesetzten Paul Zwahr (Elo 2250/DWZ 2235).

Wie konnte das geschehen? Ganz simpel, Brock spielte in der ersten Runde gegen den an 134 gesetzten Spieler Alexander Walther (DWZ 1809) remis und da immerhin 238 Spieler am Turnier teilnahmen, dauerte es einige Runden bis Brock auf die Spitze aufschliessen konnte. Während sich die starken Spieler gegenseitig die Punkte abnahmen, bekam Brock bis zur 6. Runde nur „Fallobst“ serviert, bevor er in den letzten beiden Runden zwei mal mit Weiss gegen ungefähr gleichstarke Gegner den Turniersieg einfuhr.

Das Glück war Brock insbesondere in der letzten Runde hold, denn bei 4 punktgleichen Spielern an der Spitze (GM Kritz, GM Gutman, Zwahr und ihm) konnte es nur eine Konstellation zum Schluss geben: Kritz hatte schon gegen Zwahr gespielt und Gutman und Zwahr hatten jeweils in der 5. und 6. Runde Weiss gehabt und da 3 Mal Weiss hintereinander nicht erlaubt ist, mussten sie die letzte Runde mit Schwarz spielen. Somit hiessen die Paarungen Kritz gegen Gutman und Brock gegen Zwahr. Die GM´s spielten remis gegeneinander und so war der Weg für einen der Amateure frei.

Eine Verkettung von glücklichen Umständen, denn es lief alles regelgerecht ab, machte somit aus einem Amateur den Sieger eines mittelstarken Opens. Die Eloperformance beruhte übrigens auf den Resultaten aus den Runden 2 bis 7, denn das Remis gegen den Elolosen Walther aus der ersten Runde floss natürlich nicht in die Wertung mit ein.

Kommentare

3 Antworten zu “Die Tücken des Schweizer Systems”

  1. Schachblog rank zero am 28. August 2007, 11:08

    Das hat nicht unbedingt mit den Tücken des Schweizer Systems zu tun, sondern liegt schlicht in der Mathematik begründet:

    Man kann prinzipiell nicht in sieben Runden sinnvoll einen Sieger in einem Turnier mit 238 Teilnehmern ermitteln, da 2^7=128 nun einmal kleiner als 239 ist. Es käme ja auch niemand auf die Idee, in nur einer Runde einen „Sieger“ eines Turniers mit vier Teilnehmern zu bestimmen…

    Das Problem liegt eher in der Gier der Veranstalter nach Rekorden und einer gewandelten Schachszene – es gibt z.B. eine zunehmende Zielgruppe reisender Schachrentner, die eine breite Basis schwacher Spieler bilden, häufig an Turnieremnn teilnehmen und als zahlungskräftige Zielgruppe für die meist assoziiertenHotels attraktiv sind. Nicht zuletzt deshalb ist das Ausrichten von Open inzwischen ein potentiell renditeträchtiges Geschäft geworden.

    Dass das Ergebnis schachlich belanglos ist, kümmert die Veranstalter nicht – im Gegenteil, die Chance, dass bei dieser Lotterie ja auch ein Underdog an 1 enden kann, ist eher werbewirksam für breitere Schichten.

    Die meisten Titelträger sind daran allerdings auch nicht unschuldig – sie haben sich solche Turnieren nicht selten als bequeme Verdienstmöglichkeiten ausgemacht, bei denen man die Gurken mit Routine abmacht und gegeneinander zur Preissicherung Remis spielt.Es ist ein offenes Geheimnis, dass hierbei zuweilen „im Rudel gejagt“ wird – d.h. am Ende werden die Preise unter den Leuten, die untereinander Remis absprechen, gleichmässig geteilt, so dass man auch noch das Wertungsrisiko minimiert.

    Da dies schlicht dem Gesetz der Marktlage entspricht und die Beteiligten einfach ökonomisch optimal handeln, glaube ich auch nicht, dass man dem beikommen kann – schon gar nicht durch Appelle an die Ethik. Das Ergebnis ist allerdings, dass die breite Turnierlandschaft schachlich praktisch gehaltlos ist – und da das knapp bemessene Organisationspotential dadurch weitgehend aufgebraucht wird, sind hochwertige Turniere eher im Aussterben begriffen (sie sind finanziell auch nicht attraktiv).

  2. Andi am 28. August 2007, 12:23

    mit Sicherheit ist dieses Ergebnis kurios! Aber nun tun wir mal nicht so, als würden pausenlos die Underdogs die Vorteile der Mathematik ausnutzen können, um einen unverdienten Geldpreis einzustreichen. In der ganz grossen Mehrheit der Fälle liegen doch am Ende die Favoriten, sprich Titelträger, auch ganz vorne an der Spitze! Jede Sportart lebt doch auch von Sensationen und Überraschungen!
    Das Organisatoren mit Turnierausrichtungen ihr Geld verdienen ist ebenso verständlich wie wenig verwerflich. Wenn gewissen Titelträgern oder Spielern solche Turniere nicht passen, dann zwingt sie niemand mitzuspielen, sie können sich ja weiterhin auf amateurhaft ausgerichteten Open austoben und den dortigen „Luxus“ geniessen. Wenn eine grösse Menge an Amateuren bereit ist Geld für ein schönes Turnier zu bezahlen, sollte das doch alle am Schach interessierten freuen, kommt doch so schlicht und einfach Geld in die Kasse, ohne dass jemand übers Ohr gehauen wird. Ich verstehe den negativen Unterton des letzten Kommentars nicht!

  3. Schachblog rank zero am 28. August 2007, 13:49

    Es kommt eben auf die Zielstellung an: Wenn man primär als Zweck eines Schachturniers ansieht, dass Geld in die Kasse kommt, ohne dass jemand übers Ohr gehauen wird, gibt es keinen Grund für negative Untertöne.

    Die kommen bei mir eher daher, dass ich altmodischerweise primär an guten, ausgekämpften Partien einigermassen gleichstarker Spieler interessiert bin (und daran, dass der Satz „möge der Bessere gewinnen“ nicht total zum Witz verkommt).

    Gerade Leute, die ihr Schach verbessern wollen, finden hierfür kaum noch geeignete Turniere – was übrigens auch gerade ein Problem für Talente im Jugendbereich darstellt (zumindest wenn sie nicht dank der richtigen Beziehungen beitragsgesponsort nach Ungarn etc. kutschiert werden).

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