In der letzten Runde der NRW-Oberliga bekam ich es mit einem holländischen IM zu tun. Wie immer analysierte ich meine Partie mit Houdini und kam zu lehrreichen Erkenntnissen, die ich hier nicht vorenthalten möchte. Besonders interessant ist die Stellung nach 14…f6.

Souleidis,Georgios (2380) – Kuijf,Marinus (2415) [C11]
NRW-Oberliga SV Wattenscheid II – SK Münster (9), 29.04.2012

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 Sf6 4.e5 Sfd7 5.f4 c5 6.Sf3 Sc6 7.Le3 a6 8.Dd2 cxd4 9.Sxd4 Lc5 10.g3 0-0 11.Lg2 Dc7 12.0-0

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Zur Eröffnung nur ein paar Worte. 10. g3 statt 10. 0-0-0 ist eine Nebenvariante und 11….Dc7 macht die Sache noch seltener. 12.Sce2 ist wahrscheinlicher genauer, um den Punkt d4 weiter zu befestigen. 12…Sa5 Das sieht krumm aus, ist aber kein Fehler. Normal wäre 12…Sxd4 13.Lxd4 b5 usw. 13.b3 Lb4 14.Sde2 f6?

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Die schwarze Spielweise wäre mit 14…Sc6 15.a3 La5 16.b4 Lb6 usw. zu rechtfertigen. 14…f6 ist keine gute Idee. Schwarz strebt die Öffnung des Zentrums an, obwohl er nicht voll entwickelt ist. Wie soll Weiß fortsetzen? 15.a3! Das ist sehr stark. Wenn der schwarzfeldrige Läufer vom Brett verschwindet, kann man ruhig den Bauern auf e5 opfern. Es entstehen Stellungen, in denen ein weißes Springer- oder Läuferopfer auf d5 ständig in Frage kommt. Außerdem besitzt Weiß einen sehr starken Läufer auf e3 und Spiel auf den schwarzen Feldern. 15.exf6 Sxf6 16.a3 Lc5 17.f5 mit weißer Initiative kam ebenfalls in Betracht. 15…Lxc3 Sehr schnell gespielt von Schwarz. Ich ging eher von 15…Lc5 16.exf6 Sxf6 17.f5 mit Initiative aus. Noch stärker ist allerdings 16.Sxd5! exd5 17.Dxd5+ Tf7 18.e6 Lxe3+ 19.Kh1 Tf8 20.exd7+ Kh8 21.dxc8D Taxc8 22.b4 Sc6 23.Tad1± 16.Sxc3 fxe5

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Bei 15. a3 hatte ich berechnet, dass Schwarz nach meinem nächsten Zug, den ich leider a tempo ausführte, nicht sofort auf e5 nehmen kann. 17.fxe5 Hätte ich mir hier ein paar Minuten Zeit genommen, bin ich mir sicher, dass ich zu 17.Lxd5! gegriffen hätte. 17…exd5 (17…exf4 18.Lxf4 Db6+ 19.Le3 Dd6 20.Lg2 Dxd2 21.Lxd2±) 18.Sxd5 Dd8 Hier brach ich mit meinen Berechnungen bei 15. a3 ab und dachte, dass es nicht weitergehe. Es geht aber weiter: 19.fxe5 und Schwarz muss wegen den Drohungen 20. Lg5 bzw. 20. e6 Material geben. 19…Sc6 20.Lg5 De8 21.Sc7 Dxe5 22.Sxa8 Sd4 23.Tae1 Dd5 24.Sc7 Sf3+ 25.Txf3 Dxf3 26.Dd5+ Dxd5 27.Sxd5± mit Mehrbauer lautet die Houdini-Variante. 17…Sc6! Der Springer musste zurück. 17…Dxe5? 18.Ld4! Dh5 19.Sxd5 exd5 20.Dxa5+-; 17…Sxe5? 18.Txf8+ Kxf8 19.Tf1+ Kg8 20.Sxd5 exd5 21.Lxd5++- 18.Tae1 Bringt die letzte weiße Figur ins Spiel. Ich wollte, dass Schwarz auf e5 nimmt, damit sich die Stellung für meine Läufer komplett öffnet. Deswegen beschäftigte ich mich auch kaum mit anderen Zügen. 18…Txf1+ 19.Txf1 Dxe5

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Nachdem ich 17. Lxd5 leider zu wenig Beachtung geschenkt hatte, musste ich hier auf den positionellen Modus umschalten und mein Spiel auf den schwarzen Feldern verstärken. In diesem Sinne war 20.Sa4 sehr stark. 20.Sxd5 Das sollte bei bestem schwarzem Spiel nur zum Remis reichen. Das war mir während der Partie klar und ich hatte die relevanten Varianten korrekt berechnet. Zumindest stellt es aber Schwarz vor der Aufgabe, sich korrekt zu verteidigen. 20…exd5 21.Lxd5+ Kh8 22.Tf7!

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Mehr geht nicht in dieser Stellung. Es droht 23. Lxc6 nebst 24. Ld4. 22…Sd8? Stattdessen führten mehrere Damenzüge zum Remis, z.B.: 22…De8 23.Lh6 gxh6 24.Dxh6 (Nach 24.Dd3!? muss Schwarz viel genauer spielen, um das Remis zu sichern. Den Zug hatte ich während der Partie nicht in meinem Variantenbaum. 24…De1+ 25.Kg2 Sf6! 26.Txf6 Se5 27.Tf8+ Kg7 28.Tg8+ Kf6 29.Dd4 De2+ 30.Kg1 De1+ 31.Kg2 De2+=) 24…De1+ 25.Kg2 De2+ mit Remis durch Dauerschach. Mein Gegner verrechnete sich bei 22…De8 und sah 26.Kh3?? mit Gewinn für Weiß. Natürlich folgt hier aber 26…Sf6+ 27.Kh4 Dg4#; 22…Dd6 23.Lxc6 Dxd2 24.Lxd2 bxc6 25.Lc3 Sf6 26.Tf8+ Sg8 27.Tf7= 23.Ld4 Sxf7? Noch ein Fehler, der die Partie verlliert. Es musste 23…Dxd5 24.Lxg7+ Kg8 25.Dxd5 Sxf7 geschehen. Schwarz hat mit Turm und zwei Springern gegen Dame und zwei Bauern ein akzeptables Äquivalent. Es könnte mit 26.Lc3 Sf8 27.h4 weitergehen. Laut Houdini steht Weiß auf Gewinn. Ich stimme dem zu, da Schwarz seine Figuren kaum koordiniert bekommt. Nichtsdestotrotz müssten auf dem Weg zum Sieg technische Problemchen gelöst werden. 24.Lxe5 Egal wie Schwarz auf e5 zurücknimmt, er verliert weiteres Material. 24…Sdxe5 24…Sfxe5 25.Dg5 Sg6 26.Dd8+ Sdf8 (26…Sgf8 27.Le6+-) 27.Lf7+- 25.Df4

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Hier hätten noch viele Spieler mit 25…Ld7 (25…Kg8? 26.Dxe5+-) 26.Lxf7 Sxf7 27.Dxf7 Lc6 ihr Glück versucht, nicht so Kuijf, der aufgab. Man beachte am Ende, dass Turm und Läufer des Schwarzen während der gesamten Partie nicht gezogen haben. 1-0

Kommentare

5 Antworten zu “Der Faktor Entwicklungsvorsprung (12)”

  1. Ein ganz normaler Bürotag in Deutschland im Mai 2012 | sportinsider am 01. Mai 2012, 21:37

    […] 10:00 Zurück im Büro. Ablage. Blick auf die Kultseite entwicklungsvorsprung […]

  2. Cliff am 03. Mai 2012, 20:20

    Hallo Herr Souleideis,

    kommentieren Sie hier oder auf der Bundesliga-Seite die ungeheuerlichen Vorgänge der 2. Liga Nord?
    Und was ist an der auf zugzwang.de vermeldeten Nachricht, dass Erfurt nicht in die BL aufsteigt?

    Das wäre doch alles mindestens einen Kommentar wert, oder?

  3. Georgios Souleidis am 03. Mai 2012, 21:00

    Die Vorgänge werde ich nicht kommentieren. Die Fakten, also welche Mannschaften letztendlich aufsteigen, werde ich zum gegebenen Zeitpunkt veröffentlichen. Bei Erfurt kann man allerdings schon sagen, dass sie verzichtet haben.

  4. Max Bouaraba am 05. Mai 2012, 18:20

    a3 war schon ein Hammerzug – für mich der Zug der Saison und ein Zug, dessen Idee auf den ersten Blick nur wenige verstehen. Vielleicht war dies auch eine Sache der Erfahrung / Vorbereitung in diesem Stellungstyp?! Es wundert mich auch überhaupt nicht, dass schwarz der Verlockung unterlag und sich (schnell) auf e5 bediente. Das sind dann wohl so die Momente, weswegen man Schach spielt. Klasse Saison mein Gutster 🙂

  5. Georgios Souleidis am 05. Mai 2012, 20:21

    Besten Dank für deinen Kommentar. So ein Zug wie 15. a3 macht natürlich Freude, insbesondere wenn man die Konsequenzen korrekt eingeschätzt hat. Saison lief tatsächlich richtig gut, hatte aber auch viel „Weiß“ 🙂

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