Ich habe hier schon lange nicht mehr eine meiner Partien präsentiert. Das liegt zum Einen daran, dass ich inzwischen wenig spiele und zum Anderen, dass der Großteil der Partien, die ich in dieser Saison für Wattenscheid II in der NRW-Oberliga absolvierte, wenig präsentabel waren. Gestern gelang mir aber mal wieder eine für meine Ansprüche fehlerfreie Partie, die ich mit der Engine Houdini analysiert habe und im Folgenden zeige.

In der 8. Runde der NRW-Oberliga ging es nach Aachen. Es kommt niemals Freude auf, wenn man sonntags früh aufstehen muss, um pünktlich um 11.00 am Brett zu sitzen und dank der Zeitumstellung auf Sommerzeit war am Samstag Disziplin angesagt. Das fiel mir ausnahmsweise nicht schwer, denn ich hatte nach längerer Pause richtig Bock auf Schach. Beste Voraussetzung, um mal wieder auf Leistung zu gehen – wie wir in Wattenscheid zu sagen pflegen.

Souleidis,Georgios (2380) – Piceu,Tom (2338) [B90]
NRW-Oberliga: Aachener SV-SV Wattenscheid II (8), 25.03.2012

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.h3 e5 7.Sde2 Le6 8.g4 Le7 9.Lg2 0-0 10.0-0 Sbd7 11.a4 Tc8 12.Sg3 Sb6

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Hier dachte ich das erste Mal länger nach. Meine Kandidatenzüge waren 13. Sf5 und 13. a5. Prinzipiell gefiel mir der Springerzug sehr gut, doch ich ging davon aus, dass Schwarz durch den Bauernvorstoß 13…d5 ausgleichen kann und so wählte ich 13.a5 Das beinhaltet ein Baueropfer. Die Idee besteht darin, den Springer am Damenflügel aus dem Spiel zu nehmen. 13.Sf5 d5 14.Sxe7+ (14.a5 d4 gefiel mir nicht und 14.g5?! Sxe4 15.Sxe7+ Dxe7 16.Sxe4 dxe4 noch viel weniger) 14…Dxe7 15.exd5 Sfxd5 16.Sxd5 Sxd5 17.Lxd5 Tfd8 18.c4 Txc4 Bis hierhin war ich gekommen, doch mein Rechenhorizont reichte gestern nicht aus, um 19.Lxe6! Txd1 20.Lxc4 zu sehen. Das Materialverhältnis Turm und zwei Läufer vs. Dame sollte Weiß begünstigen – Domination of pieces. 13…Sc4 14.Sd5 Sxd5 Die natürliche Reaktion. Den weißfeldrigen Läufer braucht man noch, um Einfluß auf den weißen Feldern auszuüben. 14…Tc5 hatte ich eher stiefmütterlich bis 15.Sxe7+ Dxe7 16.b3 Txa5 17.Lg5 berechnet und mit dem Urteil „muss gut sein“ abgeschlossen. Ist es auch: 17…Txa1 18.Dxa1 Sb6 19.Da5 Sbd7 20.Dc7 mit Initiative für den Bauern. 15.exd5 Ld7

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16.b3 16.De1 mit der Idee 17. b3 war die zweite Möglichkeit. Ich dachte, dass Schwarz nach 16…Tc5 (Stattdessen verfügt der Nachziehende über 16…b6 17.axb6 Sxb6 18.Dd1 Dc7 mit Ausgleich) 17.b3 Txa5 den Bauern vorteilhafter als in der Partie gewinnt, doch nach 18.Tb1 Sa3 19.Tb2 wird deutlich, dass Turm und Springer am Damenflügel gestrandet sind. Houdini zeigt an, dass Schwarz entweder die Qualität oder eine Figur für zwei bis drei Bauern geben muss. 16…Sxa5 17.Le4 b6

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Während der Partie vermutete ich, dass das zumindest ungenau ist, da Weiß sofort den Bauern zurückgewinnt, doch Houdini zeigt an, dass Schwarz früher oder später diesen eh zurückgeben muss, um seinen Springer wieder ins Spiel zu bringen. 17…b5 ist trotzdem besser. In der Stellung nach 18.Lf5 Sb7 19.Txa6 Sc5 20.Ta7 Tc7 21.Txc7 Dxc7 22.Lxd7 Dxd7 23.Le3 erkenne ich keinen Vorteil für Weiß. 18.Dd3 g6?! Es ist nicht menschlich, sich den Bauern auf h7 nehmen zu lassen, doch Schwarz musste seinen Springer wieder ins Spiel bringen: 18…Sb7! 19.Lxh7+ Kh8 20.Lf5 Sc5 21.De3 a5 und die Stellung befindet sich im Gleichgewicht. 19.Lh6 Dieser Zug ist wichtig, um den Turm auf das schlechtere Feld e8 zu zwingen. 19…Te8 19…Lb5!? 20.c4 Sxc4 21.bxc4 Lxc4 22.Db1 Lxf1 23.Lxf8 Lxf8 24.Kxf1 hatte ich berechnet und eingeschätzt, dass Schwarz mit drei Bauern für die Figur zwar ein nettes Äquivalent aber nicht genügend Spiel besitzt. Houdini unterstützt mich in dieser Annahme. 20.Dxa6 Ta8 21.Dd3 Lg5 Es ist für Schwarz wünschenswert diesen Läufer abzutauschen und zu versuchen am Königsflügel anzugreifen, doch Weiß ist am Damenflügel viel schneller. 22.Lxg5 Dxg5 23.b4

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Natürlich, darauf basierte mein ganzer Plan – diesen Springer aus dem Spiel zu nehmen. 23…Sb7 24.Ta6! Mit Tempo gespielt. 24…Txa6 Schwarz hätte mit dem Bauernopfer 24…f5!? sein Heil im Endspiel suchen können: 25.gxf5 gxf5 26.Txa8 Txa8 27.Lxf5 Lxf5 28.Dxf5 Dxf5 29.Sxf5 Kf7 30.Sg3 mit weißem Vorteil. 24…b5 25.Tfa1 Txa6 26.Txa6± 25.Dxa6±

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25…Sd8? Das ist ein Fehler. Während der Partie ging ich davon aus, dass 25…Lc8! viel mehr Widerstand leistet und dem ist auch so: 26.Dxb6 f5 27.Ld3 h5 Bis hierhin hatte ich auf der Zeit meines Gegners gerechnet, doch war mir nicht sicher, wie es weitergehen soll. Die Varianten sind kompliziert und auch wenn Weiß objektiv besser steht, bin ich froh, dass es mir mein Gegner einfacher machte. 28.gxh5 e4 (28…gxh5 29.Kh2+-; 28…f4 29.Lxg6 fxg3 30.Dc7 De7 31.Dxe7 Txe7 32.h6 Lxh3 33.Ta1 Tc7 34.Ta7 gxf2+ 35.Kxf2+-) 29.Lb5 Tf8 30.Dc7! f4 31.h6 Dxh6 32.Sxe4 Lxh3 33.Ta1+- 26.Dxb6+- f5 27.Dxd6 Lb5 27…Lc8 28.gxf5 gxf5 29.Lg2+-

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28.gxf5 Weiß hat einfach zu viele Bauern, so dass er locker die Qualität geben kann. Ich fühlte, dass 28.Ta1 auch gewinnt, doch ich wollte in aufkommender Zeitnot keine schwierigen Varianten berechnen. 28…fxe4 (28…Sf7 29.Db6 fxe4 30.Sxe4!+-) 29.Sxe4 De7 30.Dxe7 Txe7 31.Ta8 Te8 32.Sd6!+- 28…Sf7 29.Dc7 29.Db6 gefällt Houdini noch besser, weil die Dame den Punkt g6 weiter angreift – schätze ich mal. 29…Lxf1 30.Kxf1

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30…Tf8 Als Mensch möchte man natürlich angreifen, wenn man die Bauernarmada am Damenflügel auf sich zurollen sieht. Houdini ist viel zäher: 30…Df6 31.c4! Sd6 32.c5 Sxe4 33.Sxe4 Dxf5 und hier gewinnt 34.Dd7! Dxd7 35.Sf6+ Kf7 36.Sxd7 Ke7 37.Sb6+- wonach Schwarz die drei Freibauern nicht aufhalten kann. 30…Df6 hatte ich allerdings gar nicht in Betracht gezogen. 31.b5 Sh6 31…Df4 mit der Idee 32…Sg5 fürchtete ich viel mehr, doch Houdini bleibt cool: 32.b6 (32.d6+-) 32…Sg5 33.d6 Sxh3 (33…Sxe4 34.Dc4+ Kg7 35.Dxe4+-) 34.Kg2+- 32.Dxe5 Sxf5 33.Lxf5 gxf5 34.c4 Dh4 35.De6+ In Zeitnot werden die Züge wiederholt. Ein Standardverfahren, bei dem man nur aufpassen muss, sich nicht zu verzählen – ist mir auch schon passiert. 35…Kh8 36.De5+ Kg8 37.Kg2 f4 38.De6+ Tf7 39.Dc8+ Tf8 40.De6+ Tf7 41.Se4 f3+ 42.Kg1 Df4

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43.b6 Ich dachte auch länger über 43.Dg4+?? nach und berechnete 43…Dxg4+ 44.hxg4 Tf4, wonach 45.Sd6 am Einfachsten gewinnt. Nach der Partie wurde ich gleich von zwei Mannschaftskollegen gefragt, warum ich nicht 43. Dg4+ gespielt hätte und antwortete, dass ich befürchtete, etwas in der angegebenen Variante übersehen zu haben und außerdem die Variante nach 43. b6 bis zum Ende (so wie es kam) berechnet hatte. Erst zu Hause fiel mir mit Hilfe der Engine auf, dass 43. Dg4+ wegen 43…Tg7! und Damenverlust die Partie einstellt. Ein Fall von kollektiver Blindheit und im Endeffekt auch ein wenig Glück für mich. 43…Dc1+ 44.Kh2 Df4+ Auf 44…Df1 gewinnen alle Schachs mit der Dame, aber ich plante 45.Kg3+- Dg2+ 46.Kh4 und der König steht total sicher. 45.Sg3 Dxc4 45…Dd2 46.Dg4+ Kf8 47.Se4+- 46.b7 Db4 47.Dg4+ und Schwarz gab wegen 47…Dxg4 48.b8D+ Tf8 49.Dxf8+! Kxf8 50.hxg4 auf. 1-0

Kommentare

Eine Antwort zu “Figur aus dem Spiel nehmen”

  1. 16. Int. Neckar-Open in Dezisau | sportinsider am 09. April 2012, 11:52

    […] Souleidis betreibt ja auch das Blog Entwicklungsvorsprung und beschäftigte sich zuletzt mit dem Thema Figur aus dem Spiel nehmen anhand einer eigenen […]

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