Heute war ich das erste Mal in diesem Jahr live beim Sparkassen-Chess-Meeting ((http://www.sparkassen-chess-meeting.de/index.html)) in Dortmund dabei (anbei der Beweis)
Eintrittskarte
und ich muss zugeben (nicht, dass ich das jemals bezweifelt hätte), aber live dabei sein, ist qualitativ hochwertiger, als sich die Partien im Internet anzuschauen. Ausserdem trifft man bekannte Gesichter, wie den Gewinner des letztjährigen Opens IM Olaf Heinzel oder hält einen kurzen Plausch mit einem der Kommentatoren. Vor allem kommt man aber in den Genuss der Livekommentierung, die wie immer in den bewährten Händen von Dr. Helmut Pfleger und GM Klaus Bischoff liegt.

Ein Highlight war der Besuch von Papa Carlsen in der Sprecherkabine. Da er erstaunlich gut Deutsch spricht, musste der arme Mann, da wo er konnte, die vielen Fragen auch in dieser Sprache beantworten. Dabei kam es nicht selten zu interessanten Aussagen (ich weise ausdrücklich darauf hin, dass ich mich an dieser Stelle nicht lustig machen möchte):

Auf die Frage ob denn sein Sohn Magnus Carlsen nicht langsam müde werde, da er so viel spielt: „Ja, viele lange schwere Parteien.“
Auf die Frage wie er die gesamte Entwicklung seines Sohnes sieht: „Es ist ein Träum.“
Auf die Frage wie es mit der Freistellung von seinem Job aussieht: „Ja, dieses Jahr habe ich nur Schach gemacht. Das ist Spass.“

Man erfuhr auch wirklich interessante Tatsachen über seinen Sohn. Dass er z.B. drei Schwestern hat, die auch Schach spielen, oder dass sein Schulfreund Jon Ludwig Hammer (Elo 2346) gerade das parallel stattfindende Open ((http://www.schach-ticker.de/sparkassen_open07a_tabelle.html)) dominiert. Ausserdem spielt Magnus sehr gerne Fussball im Jugendteam von Lommedalen (Heimatstadt der Carlsens). Heute war Magnus etwas kränklich (entzündeter Hals). Das brachte Dr. Pfleger auf den Plan sich anzubieten: „Wenn sie etwas brauchen, ich bin Arzt, vielleicht kann ich ihnen eine Medizin empfehlen.“ Papa Carlsen: „Ja, vielleicht später.“

Später hat Magnus bestimmt mehr als nur Medizin gebraucht, denn heute wurde er vom Weltmeister Vladimir Kramnik ziemlich auseinandergenommen, der damit auch die alleinige Tabellenführung übernahm ((http://www.chess-international.de/ticker/chess_meeting2007/tabelle.html)). Imposant auch die Kramniksche Spielweise. Nachdem er einen Zug machte, stand er direkt auf und verschwand hinter die Bühne. Vielleicht hat er heute eine Stunde nachgedacht, aber bestimmt nicht mehr:

Kramnik,V (2772) – Carlsen,M (2698) [E05]
Sparkassen-Chess-Meeting (4), 2007

[Souleidis,Georgios]

1.Sf3 Sf6 2.c4 e6 3.g3 d5 4.d4 Le7 5.Lg2 0-0 6.0-0 dxc4 7.Dc2 a6 8.Dxc4 b5 9.Dc2 Lb7 10.Ld2 Sc6 11.e3 Sb4 12.Lxb4 Lxb4 13.a3 Le7 14.Sbd2 Tc8 15.b4 a5 16.Se5
Diagramm 1
16…Sd5? Schwarz muss irgendwas verwechselt haben, oder seine Vorbereitung beinhaltete ein dickes Loch, denn hierbei handelt es sich um eine Neuerung, die im höheren Sinne fast schon zu einer verlorenen Stellung führt. [16…Lxg2 17.Kxg2 c6 kam in Marin-Marciano, Bukarest 1993, vor. Es stellt sich die Frage, wo Weiss hier eine Verbesserung vorbereitet hatte.] 17.Sb3!± Natürlich, der Springer hüpft mit Tempo nach c6. 17…axb4 18.Sa5! La8 19.Sac6 Lxc6?! [19…Dd6 20.Lxd5 exd5 21.axb4± und die Springer sind den Läufern haushoch überlegen.; 19…De8 ist vielleicht noch am zähesten: 20.Lxd5 exd5 21.Sxe7+! Dxe7 22.axb4 Dxb4 23.Tfb1 De7 24.Txb5± Diese Stellung sollte technisch gewonnen sein für Weiss, da er über die klar bessere Leichtfigur und Bauernstruktur verfügt.] 20.Sxc6 Dd7
Diagramm 2
21.Lxd5! Ohne lange nachzudenken gespielt. Weiss verbleibt mit der besseren Leichtfigur. 21…exd5 22.axb4+- 22…Tfe8 [22…Ta8 23.Ta5+-] 23.Ta5 Lf8 24.Se5 De6 [Das Qualitätsopfer hätte auch nichts gebracht: 24…Txe5 25.dxe5 Lxb4 26.Ta7 Lf8 27.Tc1 b4 28.Txc7 Txc7 29.Dxc7+-] 25.Txb5 Tb8 [Mit 25…Lxb4 26.Txb4 c5 27.dxc5 Dxe5 hätte Schwarz noch ein wenig tricksen können, doch nach 28.Td1 verbleibt „nur“ noch die technische Verwertung des grossen Vorteils für Weiss.] 26.Txb8 Txb8 27.Dxc7 Ld6 [27…Txb4 28.Ta1 f6 29.Sd7+-]
Diagramm 3
28.Da5! Sehr präzise gespielt, da die Dame von hier auch die Grundreihenschwäche nicht ausser Acht lässt. 28…Lxb4? Ein Fehler in allerdings eh schon verlorener Stellung. [28…Lxe5 29.dxe5 Dxe5 30.Td1+- und Weiss gewinnt auch den Bauern d5.] 29.Tb1! Dd6 30.Da4 Nach diesem nochmaligen präzisen Zug sah Schwarz zu Recht keinen Grund weiterzukämpfen, da er nach 30…Lc3 31.Txb8+ Dxb8 32.Dc6 auch den Bauern d5 verliert. 1-0

Die Partien Alekseev-Leko und Gelfand-Mamedyarov endeten Remis und es scheint, dass keine der Parteien ernsthafte Gewinnchancen hatte. Allerdings muss das Endspiel der ersteren noch geprüft werden. Die längste Partie des Tages spielten der Inder Anand und der Lokalmatador Arkadij Naiditsch mit dem besseren Ende für die Nr.1 der Weltrangliste:

Anand,V (2786) – Naiditsch,A (2654) [C78]
Sparkassen-Chess-Meeting (4), 2007

[Souleidis,Georgios]

Diagramm 4
39…Le4+? Kurz vor der Zeitkontrolle begeht Schwarz den entscheidenden Fehler. Das logische 39…Tc2 hätte die Sache weiterhin spannend gestaltet. 40.Kg3 Tc2 Vielleicht hatte Schwarz übersehen, dass nach 40…Ld5 41.Sd4! für Weiss gewinnt. 41.Sf8!+- Bastelt an einem Mattnetz. 41…Ld3 41…Txc3+ verbietet sich wegen 42.Kh4 und Schwarz darf den Läufer nicht ziehen, weil f4 und g5 mit Matt folgt. 42.f4 Tc1 43.Tf7 Tg1+ 44.Kh3 Th1+ 45.Kg2 Le4+ 46.Kf2 Th3
Diagramm 5
Nun erwartete jeder 47.Txf6+ Kg7 48.g5+- doch Weiss spielt für die Gallerie. 47.Se6! Tf3+ 48.Ke2 Kg6 49.Tg7+ Kh6 50.f5! Txc3 50…Lxf5 51.gxf5 Txf5 52.Tg3+- 51.Tg6+ Kh7 52.Txf6 Lf3+ 53.Kf2 Lxg4 Es sieht so aus, als ob Weiss es verdaddelt hat, doch er hatte alles bis zum Schluss exakt berechnet.
Diagramm 6
54.Sg5+ Kg8 55.Tg6+ Kf8 56.Sh7+! Kf7 57.Txg4 1-0

Kommentare

Eine Antwort zu “Ein Gruss aus Dortmund”

  1. schachspielerin am 29. Juni 2007, 18:39

    Ich war auch schon öfter in Dortmund, nur hat mich die Kommentierung von Herrn Pfleger eher gestört, nur Anekdoten und Geschwafel, GM Bischoff versteht hingegen etwas von Schach und sagt dazu etwas und nicht zu längst vergangenen Ereignissen, die manchmal gar nichts mit der Partie und den teilnehmenden Personen zu tun haben. Ausserdem ist die Bühnenpräsentation zwar ganz nett und die Grossmeisterpartien meist interessant, aber der Zuschauerraum ist sehr stickig und für so ein Event viel zu klein.
    Früher war die Schachtage mal ein Event für alle Schachspieler, da durften auch schwächere Spieler in mehreren Open in den Westfalenhallen zusammen mit den parallelen GM-Turnieren spielen und nicht, wie heute, räumlich getrennt auf den Gängen des Rathaus mit enormer Geräuschkulisse….

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