Wladimir Kramnik zieht einsam seine Kreise beim Sparkassen Chess-Meeting, doch auch die Zuschauer dürfen mit dem bisherigen Verlauf sehr zufrieden sein. Die Partien werden ausgekämpft und die Remisquote ist gering. Das liegt natürlich auch an der Remisverbotsregel – außer dreimalige Zugwiederholung oder Dauerschach – und am Teilnehmerfeld. Kleine Maßnahmen, große Wirkung. Teilweise wurde mir fast schon zu viel gekämpft. Wann dauerte das letzte Mal eine Partie acht Stunden bei einem Superturnier?

Ich saß zum Ende der Partie Meier-Nakamura mit Martin Krämer im Logenbereich des Schauspielhauses und wir kamen nicht mehr aus dem Staunen heraus. Wir hatten den Eindruck, dass sich ständig die Stellungsbewertung ändert und die meisten Züge sahen wir nicht voraus. Als Georg seinen Gegner aber dann soweit hatte, sahen wir den gewinnbringenden Vorstoß des h-Bauern im 115. Zug. Und was macht Georg? Das sinnlose 115. Ke1. Unglaublich. Gestern befragte ich ihn vor der Autogrammstunde zur Partie. „Zuerst hätte ich vor der ersten Zeitkontrolle sofort mit 40. Sc6! gewinnen können. Ich sah den Zug, wollte aber kein Risiko eingehen und dachte, dass zwei Figuren für den Turm auch ausreichen müssen. Im Endspiel mit Dame/Läufer gegen Dame/Springer brauchte ich viele Züge, um eine vernünftige Aufstellung mit Lf2 und Kg2 zu finden und seinen Schachgeboten zu entgehen. Dann werde ich mit meiner Dame aktiv und bekomme ein gewonnenes Endspiel. Ich kann mir das nur mit Erschöpfung erklären, dass ich nicht 115. h5 gespielt habe. Eine andere Erklärung gibt es nicht.“

Dass Nakamura so schlecht spielt, kann der sich auch nicht erklären. Eigentlich sein alles in Butter bei ihm. Nach seinem Sieg in Wijk aan Zee hätte sich nichts besonderes geändert. Nur eben, dass er seitdem schlecht spiele. Ich fragte ihn, ob er Probleme mit der Objektivität bei der Stellungsbeurteilung hätte. Ja das könnte sein, manchmal neige er immer noch dazu, gewinnen zu wollen, obwohl die Stellung nichts hergibt. So ist auch seine Niederlage gegen Kramnik zu erklären, die er mehrmals remis hätte geben können.

Aus Wladimir Kramnik sprudelte es nach seinem Sieg gegen Anish Giri. Diesen Bauernvorstoß im 13. Zug hätte er schon für das WM-Match gegen Kasparov im Jahr 2000 vorbereitet. Man hatte den Eindruck, dass er sein gut gehütetes Geheimnis endlich vor aller Welt ausbreiten konnte. Seltsam nur, dass er letztes Jahr gegen Mamedyarov in Moskau in genau der gleichen Variante statt 13. h4 den Zug 13. Lb5 wählte. Da mir das erst hinterher auffiel, fragte ich ihn diesbezüglich vor der Autogrammstunde. „Oh ja, ich hatte dieses 13. h4 vergessen. Erst nachdem ich meine Partie gegen Mamedyarov mit meinen Analysen abglich, fiel mir auf, was ich damals gegen Kasparov vorbereitet hatte.“ Tja, das ist modernes Schach meine Damen und Herren. Der WDR war übrigens vor Ort und hat einen netten Beitrag über das Chess-Meeting gedreht, hauptsächlich mit den Protagonisten Kramnik und Giri. Die beiden ziehen eindeutig am Meisten bei den Presseanfragen.

Nach der Partie kommt der eine oder andere Spieler ins Pressezentrum und wir gehen die Partie durch. Hier ist mir aufgefallen, dass die Jungs sehr schnell denken bzw. sprechen. Auf jeden Fall rattern sie ihren Text oder ihre Varianten ohne Rücksicht auf Verluste so schnell runter, dass ich manchmal nur nicke und nachdem sie weg sind, sinngemäß einen Text verfasse.

Zwischendurch würde ich mich einfach nur gerne für ein Stündchen ins Schauspielhaus setzen und den Kommentaren von Klaus Bischoff und Sebastian Siebrecht lauschen. Die beiden sitzen direkt hinter der Bühne und so müssen sie recht leise sprechen. Das hat was andächtiges, zeremonielles. Ich glaub, ich würde dabei so super wegschlummern, auch wenn die beiden das – natürlich – toll machen.

Meine Fotos scheinen gut anzukommen. Das freut mich natürlich. Eins meiner Lieblingsfotos ist von Anish Giri aus der fünften Runde. Echt gut getroffen, da muss ich mich selbst mal loben.

So, ich hoffe, ihr habt den Beitrag genossen…keine Ahnung, wann ich hier wieder was schreibe.

Kommentare

6 Antworten zu “Ein paar Sätze zum Sparkassen Chess-Meeting”

  1. Sparkassen Chess-Meeting – Kramnik dominiert, Meier kämpferisch at Schachfreunde Birkenfeld e.V. am 27. Juli 2011, 16:49

    […] Seit 15:00 Uhr läuft die “Rückrunde” des Tuniers, es gibt einen Liveticker und eine informative Homepage mit News, Partien, einem Archiv und Bilder von Georgios Souleidis, der in seinem Blog auch über die “Acht-Stunden-Partie” berichtet. […]

  2. Hinterwäldler am 27. Juli 2011, 21:49

    Das Remisverbot gefällt mir ausgesprochen gut. Eine Partie mit 150 Zügen wird es wohl in einem normalen Turnier kaum geben.

    Wann wird eigentlich mal schachbundesliga.de wieder akutalisiert? Eigentlich sollten doch alle Wechsel bekannt sein, oder?

  3. Georgios Souleidis am 27. Juli 2011, 21:54

    Die Website der SBL wird ab Anfang August aktualisiert. Am 01.08. werden die Aufstellungen der Vereine offiziell bekanntgegeben.

  4. PeterB am 28. Juli 2011, 08:50

    Vielen Dank für den „kurzen“ Einblick.

    Das mit Abstand stärkste Rundenturnier auf deutschen Boden (oder hab ich was übersehen?) sollte unbedingt den medialen Aufschlag haben den es verdient. Und Meier endlich auch seinen ersten Sieg.

    Zitat Meier: “Zuerst hätte ich vor der ersten Zeitkontrolle sofort mit 40. Sc6! gewinnen können. Ich sah den Zug, wollte aber kein Risiko eingehen “

    Schon lustig, erinnert an die Situation:
    „Warum haben sie die Dame genommen wo es doch Matt wäre? Ich wollte auf Nummer Sicher gehen….“

  5. Gausdal am 01. August 2011, 15:30

    Wie zufrieden war Georg Meier wirklich mit seinem Abschneiden und ist er immer noch der Meinung – wie von ihm selbst auf Schach-Welt gepostet – auf einer Stufe mit Naiditsch über dem Rest des deutschen Schachs zu stehen und eher einen Simultanauftritt als Jan Gustafsson verdient zu haben?

    Aus meiner Sicht haben sowohl Naiditsch als auch Gusti in Dortmund bei durchaus vergleichbarer Besetzung deutlich bessere Auftritte gezeigt.

  6. Georgios Souleidis am 01. August 2011, 15:34

    Stimmen der Spieler zum Turnier habe ich auf der offiziellen Website zusammengestellt. Spezielle Fragen darüberhinaus kann ich nicht beantworten.

Einen Kommentar hinterlassen

You must be logged in to post a comment.