Der Bundesligist SF Katernberg hat wie in den letzten Jahren auch eine Vereinsbroschüre herausgebracht, die sich schwerpunktmässig der ersten Mannschaft widmet. Man schaut mit einem traurigen Auge zurück (Tod Willi Knebels) und einem fröhlichen nach vorne (GM-Titel Sebastian Siebrechts, neue Spieler, neue Verantwortliche). Darüber hinaus werden Innenansichten in die Vereinsarbeit (u.a. erfolgreiche Jugendarbeit) und einzelner Mitglieder (Werner Nautsch) gewährt. Die lesenswerte 32seitige Broschüre wird pünktlich zu Saisonbeginn erscheinen und an verschiedenen Spielorten für alle Interessierten kostenlos zur Verfügung gestellt. Vorab kann sie aber schon als pdf-Datei heruntergeladen werden ((http://www.sfk-schach.de/index.php?option=com_docman&task=doc_download&gid=85&Itemid=75)).
Im Sinne einer transparenten Aussendarstellung wäre es wünschenswert, wenn alle Bundesligavereine (Mülheim macht es auch schon) dem Katernberger Beispiel folgen und eine Broschüre zur Verfügung stellen würden.

Blog-Blues

Archiviert unter Schach | 1 Kommentar

Die Schach-WM hätte eigentlich meinen Blog-Blues ((http://schachblaetter.de/que-viva-mexico-1/13-09-2007/)) kurieren sollen, doch eine plötzliche familiäre Angelegenheit zwingt mich zu einem Trip nach Griechenland. Bis auf weiteres bedeutet das, dass die Schachwelt ohne meine „fundierten Kommentare“ auskommen muss.

Die Schachweltmeisterschaft in Mexiko ((http://www.chessmexico.com/)) hat begonnen und schon muss man befürchten, dass die Höhepunkte rar gesät sein werden.

1. Runde: Vier Partien, vier Remis, alle Partien unter 30 Züge!

Wie Rank zero ((http://rankzero.de/?p=2323)) schon zutreffend festgestellt hat, hatte Vladimir Kramnik noch die besten Chancen den vollen Punkt einzufahren, doch ein Fehler drehte die Situation und er bot schnell Remis an, um wenigstens den „Halben“ zu sichern.

GM Kramnik,Vladimir (RUS) (2769) – GM Svidler,Peter (RUS) (2735) [D43]
World Championship Mexico (1), 14.09.2007

Diagramm 1

22.Sh2? (22.Ld3! sichert den Mehrbauern mit reellen Siegchancen) Txd4 23.Txd4 1/2-1/2

GM Grischuk,Alexander (RUS) (2726) – GM Leko,Peter (HUN) (2751) [C88]
World Championship Mexico (1), 14.09.2007

Diagramm 2
In dieser Stellung einigten sich die Kontrahenten auf Remis. Dabei hätte Grischuk noch problemlos weiterspielen können, da er einen Bauern gewinnt!

28…Lxf4 29.Sc5 Lc8 30.Lc4 Ld6 31.Lxa6! [31.Sxa6 b3 (31…c5!?) 32.cxb3 Lxa6 33.Lxa6 Lb4=] 31…Lxc5 32.Lxc8.

Diagramm 2

Ob das für einen Sieg ausreicht, darf bezweifelt werden, aber es ist schon erstaunlich wie schnell die Top-Spieler heutzutage ihre Partien Remis geben. Wollen sie jetzt schon Kräfte sparen? Glauben sie ihren hochkarätigen Gegnern einfach zu viel? Besitzen sie zu wenig Kampfeswillen? Wie auch immer, hoffentlich fangen wir nicht schon bald an einen Topalov zu vermissen.

Nachtrag:

Mir ist in der Analyse der Endstellung der Partie Grischuk-Leko ein Fehler unterlaufen. Die angegebene Variante hat ein Loch. Falls jemand Lust hat, den Fehler zu finden, so darf er es hier posten. Ja ich bitte sogar darum. Übrigens ist GM Mihail Marin der gleiche Fehler unterlaufen und er gibt in seinen Analysen für Chessbase die gleiche fehlerhafte Variante an ((http://www.chessbase.com/newsdetail.asp?newsid=4112)).

Am Donnerstag geht es los. Die, ob ihrer fragwürdigen Begleitumstände ((Vgl. u.a.: http://schach.twoday.net/stories/4216530/)), viel diskutierte WM könnte dann auch diesem Blog etwas Leben einhauchen, denn in letzter Zeit scheint der Webmaster etwas schreibfaul zu sein.

Nein, nein, die simple Berichterstattung ist manchmal doch etwas öde, antwortet er mir gerade. Insbesondere auch, da sie nicht entlohnt wird. Gleichfalls muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass Schach vielleicht doch nicht so viele Sujets bietet wie z. B. die Erotik oder der Fussball. Seltsam, obwohl das so simple Dinge sind, wird viel mehr darüber geschrieben. Wagen Sie es doch mal nachzumachen. Eröffnen Sie ein Blog, nennen Sie es von mir aus „Schach ist geil“ oder „Matt geht vor“ und versuchen Sie es dann tagtäglich mit neuen Berichten zu füllen, die nicht das wiederholen, was woanders zu lesen ist. Ja, versuchen Sie das mal und Sie werden sehen – ich hoffe ich trete damit niemandem zu nahe – Sie werden qualvoll scheitern.

Tja, das Dasein eines Bloggers ist kein Honigschlecken. Und da wir gerade bei den „süssen“ Dingen des Lebens sind, fallen mir die Chinesen ein. Immer schön jovial daherkommend, kriegen sie dieses genetisch determinierte Grinsen nicht aus dem Gesicht. Ich sag euch, das ist alles fauler Zauber. Im Schach haben sie gerade Russland ((http://www.chessbase.de/nachrichten.asp?newsid=6931)) und England ((http://www.chessbase.de/nachrichten.asp?newsid=6953)) überrannt, auf politischer Ebene hacken sie sich in alle Regierungsrechner und auf wirtschaftlicher Ebene betreiben sie offene Spionage. Dazu kommt noch, dass sie immer mehr werden (statistisch betrachtet ist inzwischen mindestens jeder Vierte unter uns ein Chinese) und alle gleich aussehen.

Irgendwie führt diese Vorstellung nur zu einer logischen Erkenntnis. John Carpenter muss einen neuen Film drehen mit dem Titel: Sie kommen!

Es gibt inzwischen so viele Schachseiten – Vereine, Verbände, News, Blogs etc. – da blickt doch keiner mehr durch. Schön dass sich manchmal auch jemand die Mühe macht, für ein wenig Systematik in diesem Chaos zu sorgen. Häufig bleibt es aber beim Versuch und viele Linksammlungen mutieren zu Linkfriedhöfen, da sie nicht aktualisiert werden. Andreas Königs hat es sich mit seiner neuen Seite ((http://www.schachverzeichnis.de/index.php)) zur Aufgabe gemacht, dieser Problematik Herr zu werden.

Seine Seite macht einen aufgeräumten und gut strukturierten Eindruck, wodurch das Stöbern nicht zu einer Qual wird. In zahlreichen Kategorien sind weit über 1000 Links gelistet und im Unterschied zu den in der Regel sehr konservativ aufgebauten Schachseiten sind hier die im WWW sonst üblichen Web 2.0-Features eingebaut. Man kann alle Seiten bewerten, kommentieren, weiterempfehlen oder sie direkt als Lesezeichen abspeichern. Ausserdem besteht eine Funktion darin, eine Seite als defekt zu melden, wodurch die ganze Sammlung relativ aktuell gehalten werden kann. Wer seine Seite unterbringen möchte, der kann sie einfach anmelden und unter Beachtung bestimmter Regeln erscheint sie nach einigen Tagen im Angebot. Bleibt zu hoffen, dass dieser Dienst nicht zu schnell wieder seinen Geist aufgibt und sich zu einer als zuverlässigen Quelle zum Recherchieren entwickelt.

Nachdem es die Fans aus dem hohen Norden gefordert haben – vgl. Kommentare zum letzten Beitrag ((http://entwicklungsvorsprung.de/?p=260#comments)) – hier das Dankeschön von Sebastian Siebrecht an alle, die ihm die Daumen gedrückt und ihm in den letzen Tagen ihre Glückwünsche überbracht haben. Sehr lebendig schildert der Bald-GM seine Gedanken vor, während und nach seiner letzen Partie in Bratto, die ihm verdientermassen den GM-Titel einbrachte:

Siebrecht,Sebastian (2431) – Bagaturov,Giorgi (2474) [D05]
Bratto Open (9), 31.08.2007

[Siebrecht,Sebastian]

Letzte Runde. Der entscheidene Kampf. 1.d4 Sf6 2.Sf3 e6 Die Vorbereitung teilte sich in 2 Hauptaspekte: Nimzoindisch und Königsindisch (Auslosung um 21.45h, Runde 9.30h, Schlaf konnte aufgrund der Anspannung leider nur für 2 Stunden durchgesetzt werden, ansonsten kreisten alle mögliche wilden Gedanken und Varianten in meinem Schädel). 3.e3 Trotz stundenlanger Vorbereitung das altehrwürdige Colle-System, da ich merkte, dass Bagaturov mit geschlossenen Strukturen am meisten Probleme hat. Aber natürlich war somit die meiste Zeit der Vorbereitung umsonst. 3…c5 So hatte Bagaturov bisher noch nie gespielt… 4.Ld3 Sc6 5.0-0 d5 6.b3 Le7 7.Lb2 0-0 8.Sbd2 b6 9.Se5

Diagramm 1

Hinein in die Stellung. Wenn Schwarz nicht nimmt, folgt f4 mit anschliessendem Königsangriff. 9…Sxe5 10.dxe5 Sd7 11.Dh5 Droht Matt 😉 11…g6 12.Dh6 f5 Weiss hat schon viel erreicht. In der Folge konnte ich mich jedoch nicht für einen Plan entscheiden, sondern kombinierte die Öffnung der d-Linie mit dem Königsangriff. Vermutlich hätte ich mich auf eine Sache beschränken sollen. 13.f4 (13.exf6 Lxf6 14.Lxg6 De7! Lange gerechnet, ob ein Figurenopfer mit anschliessenden f4 und Tf3 ausreichen würde!) 13…Tf7 14.c4 Sf8 15.Tad1 Lb7 16.Sf3 Dc7

Diagramm 2

17.h3?! Der Beginn eines zu agressiven und falschen Planes. Durch anschliessendes g4 wird der eigene König zu sehr geschwächt (typisch Siebrecht) und interessanter Weise steht die eigene Dame bald völlig falsch und droht verloren zu gehen. (17.Sg5 Lxg5 18.Dxg5 Td8 19.Le2±) 17…Td8 18.g4 dxc4 19.bxc4 Td7 20.gxf5?

Diagramm 3

(20.Le2! Und alles ist noch in Ordnung für Weiss.) 20…Lxf3! 21.Txf3 (Falls: 21.fxe6 Sxe6 22.Txf3 Dd8! und der Damenverlust ist nicht wirklich zu vermeiden..Idee:Lf8) 21…Txf5! 22.Tg3 Txd3! 23.Txd3 Kf7

Diagramm 4

Weiss steht objektiv auf Verlust. Ich sah 24. Tg5, Lxg5 und anschliessendes Dc6 und nach zB. 25.Dh4 Dc6 26.Td8 Kg8!, wonach Df3 mit völliger Kontrolle nicht zu verhindern ist. 24.e4!? Impliziert ein Damenopfer auf Chance, da die Alternative nicht besonders erquickend war.. (24.Tg5 Lxg5 25.fxg5 Dc6 26.Td8 Kg8!) 24…Th5 25.Dxh5 gxh5 26.f5 Sd7 27.f6 Sxe5??

Diagramm 5

Schwarz möchte alle Komplikationen umgehen und ihm schwebt ein Endspiel S gegen L mit Mehrbauern und lauter schwachen weissen Bauern vor. Laut des Augenzeugenberichtes von Markus Schäfer muss Bagaturov schon nach fxe7 überrascht geschaut haben. 30.Lf6 (Thema Verschliessung der Diagonale durch den Springer, dann wieder Öffnung der langen Diagonale) muss er defintiv übersehen haben. (27…Lf8 28.Tg5 Lh6 29.Txh5 Kg6 30.Th4 Sxe5 31.Tg3+ Lg5 32.Lxe5 Dxe5 33.Thg4 Kxf6-+) 28.fxe7! Ich selbst traute meinen Augen nicht. Wir befanden uns beide in Zeitnot, aber ich merkte wie aus einer Verluststellung allmählich wieder mehr als Hoffnung zu spüren war. 28…Sxd3 (28…Sg6 29.Tgf3+ Kxe7 30.Lf6+ Ke8 31.Td8+ Dxd8 32.Lxd8 Kxd8 33.Tf7+-) 29.Tg7+ Ke8 30.Lf6!

Diagramm 6

Vermutlich hatte Schwarz bei 28..Sxd3 nur mit 30. Tg8+ Kxe7 31.Tg7+ Kd8 32.Txc7 Kxc7 -+ gerechnet. 30…Dd7 31.Tg8+ Kf7 Da wir mit dem 30 sec Bonus spielten (100min/40 Züge + 50 min jeweils plus 30 sec) konnte ich hier nochmal in Ruhe rechnen, ob ich mit einer bequemen Mehrqualität (z.B.: 33. e8D Dxd7 34.Txe8 Kxf6) oder noch mehr „rausgehen“ konnte. 32.Tf8+ Kg6

Diagramm 7

33.Lh4! Dd4+ 34.Lf2 Noch zwei, drei genaue Züge und es ist vollbracht..dachte ich.. 34…Da1+ 35.Kg2 Kh6 36.Le3+ Kg7 37.e8D Db2+ 38.Lf2

Digramm 8

Jaaaa!!
Es ist wirklich geschafft.

Nachdem ich insgesamt fünfmal die letzte GM-Norm um einen halben Punkt verpasst habe, hat es dieses Mal gefruchtet.

Diese Partie war für mich selbst keine grossmeisterliche Leistung, aber in Verbindung mit den vorherigen Runden blieb ich in diesem Turnier gegen 6 GM aus 5 Nationen ungeschlagen und kann aufgrund meiner Erfahrung (siehe Luxemburg, Dresden, Cannes, Amsterdam etc.) nur sagen, dass dieses Quentchen Glück auch definitiv dazugehört.

Die Nerven haben mir oft genug einen Streich gespielt.
Ab und zu klappt es wirklich mit einer wahrhaft guten Partie.
Aber dieses Mal war es Kampf pur.
Erst gut gestanden. Dann alles wieder verspielt, aber zurückgekämpft.
Glück gehabt, kann man auch sagen..

Dritte Norm alles schön.

Grossmeister!!
1-0