Vor einigen Tagen erreichte mich eine hilfeersuchende E-Mail von Willi Knebel, die auf die aussterbende Spezies der Schachspalte aufmerksam macht. Als Schachspieler und Schachliebhaber fühle ich natürlich eine nicht zu geringe Trauer ob solcher negativen Entwicklungen, zumal unsere einmaligen Kunstwerke von allerlei Dönnekes wie Sudoku oder Kreuzworträtsel sukzessive abgelöst werden.

DIES DARF NICHT SEIN!
BETEILIGEN SIE SICH AN FOLGENDEM PROTEST!

Retten Sie die WAZ-Schachspalte!!

Schachspalten fristen im deutschen Blätterwald leider ein Mauerblümchen-Dasein. Sie sind vom Aussterben bedroht; […] Ausserdem gibt es allzu viele Redakteure, die Schach in Verkennung seiner Vielgestaltigkeit, Kreativität und sowohl erzieherischen als auch kulturellen Bedeutung für „auch so’n Spiel“ halten.

[…]

Auch die ebenfalls in Essen erscheinende WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung), Deutschlands auflagenstärkste Regionalzeitung (Ruhrgebiet und angrenzende Regionen) steht dem Schach eigentlich positiv gegenüber. Dennoch steht die seit 1997 erscheinende zweispaltige Schachecke z.Z. auf der Kippe. […] Im Januar 2007 wird die Chefredaktion darüber befinden, ob Schach in einer neu konzipierten Wochenendausgabe noch seinen Platz erhält oder irgendwelchen Rätseln weichen muss.

Wir sollten uns wehren und für unsere Interessen einstehen! Ich rufe Sie daher auf, in Briefen oder E-mails für die Erhaltung der Spalte einzutreten! Wir dürfen nicht zögern: Wenn die Entscheidung für ein geändertes Konzept erst einmal gefallen ist, dürften Proteste nichts mehr ausrichten.“

Bitte schreiben Sie an:

WAZ Wochenend-Redaktion, Frau Gudrun NORBISRATH, Friedrichstr. 34-38, 45123 Essen, kultur@waz.de
oder direkt an die
WAZ Chefredaktion, Herrn Ulrich REITZ; gleiche Anschrift

Retten wir gemeinsam die WAZ-Schachspalte, die Stimme des Schachs im Revier!

Willi Knebel

Das neue (Sub)Medium Weblog kann als Plattform für eine „ideale Sprechsituation“ (Habermas) dienen. Folgende Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein:

– Alle Parteien müssen die gleiche Möglichkeit besitzen, sich am Diskurs zu beteiligen (gleicher Zugang).
– Zwischen den Parteien darf es keine Machtunterschiede geben (herrschaftsfreier Raum).
– Alle Parteien agieren wahrheitsgemäss (klar erkennbare Identität).

Idealerweise führt ein solcher Diskurs durch Argument und Gegenargument zu einem Konsens!

Dementsprechend hat mich die Resonanz auf meinen Bericht vom Wochenende freudig überrascht und so fühle ich mich motiviert meine genannten Vorschläge zu präzisieren bzw. auf einige Kommentare einzugehen.

Das Uhrproblem/Spielmaterial

„Wenn ich dann höhre das Zeitnotspiel wird jedesmal zum VaBanque nur soviel. Habe am Wochenende einen BL-Kampf gesheen, wo eine digitale! Uhr nachweislich die flasche Zeit anzeigte. Bei einem Spieler einfach 10 Minuten zu wenig. […] Und keiner wusste wo und bei wem zu wenig Zeit angezeigt wurde. Könnte bei einer analogen Uhr nie passieren.“ (Wulf Hielscher)

Es ist empirisch unzulässig durch einen Extremfall das Gesamtphänomen erklären zu wollen. Ich argumentiere ja auch nicht: „Hey heute hat mal wieder jemand vergessen die mechanische Uhr aufzuziehen. Das Ding läuft nicht.“ Oder: „Durch das feste Schlagen auf die Uhr fällt der Zeiger bevor die Zeit abgelaufen ist.“

Es ist klar, dass Extremfälle immer wieder vorkommen werden, durch die bestimmte Uhren, ob analog oder digital, ihren Dienst temporär verweigern werden. Für diese Fälle braucht man natürlich fachkundiges Personal. Zugegeben bei mechanischen Uhren ist ein derartiges Problem schnell gelöst, aber hey Bedienungsanleitungen dürfen auch gelesen werden.

Mein Argument für Digitaluhren lautet folgendermassen:

Es ist bei mechanischen Uhren ab ca. 2-3 Minuten vor Ablauf der Zeit einfach nicht mehr möglich einzusehen, wie viel Zeit wirklich noch übrig ist. Das führt zu Nervosität, schlechterem Spiel und im negativsten Fall zu haarsträubenden Fehlern oder gar zur Zeitüberschreitung.

Dies wird durch digitale Uhren in hohem Masse verhindert!

Ich sehe ehrlich gesagt kein gewichtiges Argument, welches gegen digitale Uhren spricht. Die Finanzen können es nicht sein. Wir sprechen hier von einer einmaligen Investition im dreistelligen Bereich. Für einen Verein, der sich acht
Grossmeister leistet, dürfte das kein Problem darstellen.

„Da macht es aus meiner Sicht auch wenig aus, dass mit mechanischen Uhren gespielt wird. Hat doch 100 Jahre gut funktioniert, oder?“ (Bernd Schneider)

Mein lieber Bernd, irgendwann in grauer Vorzeit wurde auch mit Rauchzeichen kommuniziert. Trotzdem sind wir froh, dass es heute Telefon und Internet gibt.

„Übrigens, was hattest Du an dem Material auszusetzen?“ (Bernd Schneider)

Nichts! Genau dieses Material, Holzbretter + Spielfiguren (Staunton, Holz, Königshöhe: 95 mm), müsste überall eingesetzt werden, was meines Wissens auch getan wird.

Das Ruheproblem/Schiedsrichter

„Das Problem ist aber so alt wie das Spiel.“ (Kai Reinecker)

Bingo! Aber deswegen muss man sich nicht mit dem Status quo zufrieden geben. Wir vergessen schnell, dass früher z. B. geraucht werden durfte während einer Partie, oder dass vor gar nicht so vielen Jahren sehr häufig irgendwelche Mobiltelefone im Turniersaal klingelten. Diese Probleme wurden durch strikte Regeln abgeschafft.

„Ferner haben Bundesligaschiedsrichter mit der Turnierordnung des DSB ein völlig ausreichendes Regelwerk zur Hand. Auch was Störungen durch Geräusche angeht.
Manchmal fehlt den Schiedsrichtern vielleicht einfach nur die Durchsetzungsfähigkeit gegenüber so manchem berühmten Grossmeister.“ (Kai Reinecker)

Noch mal ins Schwarze! Man stelle sich nur mal vor wie Herr Merk den Herrn Ballack fragt: „Hallo Herr Ballack, darf ich Ihnen die gelbe Karte zeigen?“

Absurd, aber beim Schach agieren die Schiedsrichter häufig auf so noble Weise. Damit muss endlich Schluss sein. Ein Schiedsrichter ist der Herr im Haus und seine Anweisungen müssen so unmissverständlich ausgedrückt werden, dass es keine Widerworte erlaubt. Insbesondere gegenüber Spieler, die direkt nach der Partie mit der Analyse am Brett beginnen, sollte passenderweise der Imperativ angewandt werden.

Das übergeordnete Anliegen

Die Ausgangsfrage meiner Überlegungen war und ist: Was kann man tun, um den Schachsport auf möglichst vielen Ebenen zu verbessern?

Meine Ausführungen, die wahrhaftig nur einen kleinen Teil der „Probleme“ im Schach anreissen, haben offensichtlich hier und da einen entzündeten Nerv getroffen. Es wurden in den Kommentaren auch Punkte angesprochen, die ich gar nicht zur Sprache gebracht hatte, doch das ist nur förderlich für den Gesamtdiskurs.

Es steckt viel Leben in der Szene. Wenn man diese Energie zum Wohle des Schachs bündeln könnte, dann würde man viel erreichen. Mir ist klar, dass in einem System mit föderalen Strukturen die Mühlen langsamer mahlen. Und wenn jeder Verein seinen eigenen Weg geht, dann kommt die Gesamtheit nie vom Fleck.

Aber es gibt auch Positives zu berichten. Man schaue sich nur die neue Internetpräsenz der Schachbundesliga an. Und die Anstrengungen der Vereine, insbesondere jener, die es in den letzen Jahren in die Bundesliga geschafft haben, sind nicht zu übersehen.

Und den tüchtigen unentgeltlich arbeitenden Helfern, welche auch in Solingen in grosser Anzahl vorhanden waren, sei auf diesem Wege ein besonderes Dankeschön ausgesprochen.

In der Schachszene wird sehr heiss über die Abspaltung vom Deutschen Schachbund diskutiert, die wohl im Laufe der Saison stattfinden wird. Sie ist auch bitter nötig. Nicht nur im Sinne einer besseren Strukturierung und Vermarktung, sondern auch um endlich mal einheitliche und allgemein bindende Spielbedingungen zu schaffen.

Digital bitte!
Es ist absolut indiskutabel auf so einem Niveau mit mechanischen Uhren – insbesondere weise ich auf das Modell Jerger hin – spielen zu müssen. Die Zeitnotphase gerät jedes Mal zu einem Vabanquespiel. Was dieses Problem betrifft, so sind sich alle Schachspieler ausnahmsweise mal einig. Es gab nicht wenige, die sich dieses Wochenende darüber beschwert haben.

Ruhe bitte!
Es ist absolut indiskutabel, wenn Zuschauer ihr Würstchen an der Theke, welche praktischerweise direkt im Turniersaal postiert war, so laut bestellen, dass man es bis ans hinterste Ende des Raumes mithört. Es ist auch absolut unannehmbar wenn bestimmte Verantwortliche eines Vereins sich ein schönes Plätzchen suchen und ununterbrochen quatschen während des Kampfes. Es ist echt albern, wenn man in solchen Fällen ständig mit schschsss-Lauten, um Ruhe bitten muss. Dem Lautstärkephänomen im Schach könnte man wahrlich Bücher widmen. Es ist auch sehr belustigend, dass genau die Spieler, die sich während der Partie über jede noch so kleine Ruhestörung mokieren, direkt nach Partieende lautstark am Brett anfangen zu analysieren.

Schiedsrichter bitte!
Es ist absolut indiskutabel, dass Schiedsrichter in solchen Fällen zu selten eingreifen. Mal ganz im Ernst, was verrichten Schiedsrichter beim Schach? Ausser in der Zeitnotphase die Züge zu notieren und alle Jubeljahre mal einen Streitfall zu lösen, haben sie einen ruhigen Job. Schiedsrichter sollten während des gesamten Kampfes „präsent“ sein. Dazu gehört auch, dass sie Störpotential entdecken und im Keime ersticken. Ihnen muss natürlich auch die Macht und Autorität verliehen werden, damit sie sich auch durchsetzen können. Egal ob gegenüber einem Zuschauer oder einem Grossmeister.

Plan bitte!
Dies sind nur einige Punkte, die deutlich machen, dass die Vereine bzw. die Verantwortlichen, die wirklich etwas bewegen wollen in der Schachbundesliga, zuerst einmal bei den Basics anfangen sollten. Es müsste ein Programm erstellt werden, welches in einem zumutbaren Masse die Spielbedingungen für alle Vereine in der Schachbundesliga diktiert. Natürlich kann nicht von jedem Verein erwartet werden, dass es seine Heimkämpfe auf, sagen wir mal, dem Niveau der Mülheimer ausrichtet, aber die oben skizzierten Probleme könnten in kleinen Schritten bewältigt werden.

Einheitliche Spielsätze, mehr Massnahmen um das Ruheproblem in den Griff zu kriegen und besser ausgebildete Schiedsrichter sind eigentlich so selbstverständliche Forderungen, dass es fast schon lächerlich ist, sie hier zu erwähnen.