Jemand der träumt, ist ein Träumer. Ist man aber ein Träumer nur weil man träumt? Jemand der glaubt, dass eine Welt ohne Träume eine reale Welt sei, ist ein Träumer. Eine reale Welt ohne Träume ist eine fiktive Welt. Aber jemand der träumt, lebt in einer fiktiven Welt.

Wo liegt also der Unterschied zwischen Realität und Fiktion? Leben wir nicht alle in einer Traumwelt? Allein die unterschiedlichen subjektiven Wahrnehmungen eines selben Phänomens zeigen auf, dass jeder in seiner eigenen Welt lebt. Der Eine versucht Träume auszuleben, der Andere nimmt sie einfach nur wahr. Der Eine ist Phantast, der Andere Realist. Der Phantast verneint die reale Welt, obwohl er weiss, dass sich in dieser das wahre Leben abspielt. Der Realist verneint die fiktive Welt, obwohl er weiss, dass sich in dieser das phantastische Leben abspielt.

Das jeweilige Defizit wird durch temporäre Entgleisungen kompensiert. Ein Känguru, das nicht hüpfen kann wird sich niemals als vollwertig betrachten, instinktiv versteht sich, denn denken kann ein Känguru nicht. Ein Mensch aber schon, zumindest ein sozialisierter und so wird das Defizit lebenslang reflektiert werden.

Das Dilemma ist aber ein Segen. Ohne Defizit gäbe es nur Leere, produziert durch Monotonie. Unser Defizit lässt uns erst nach dem Streben, was wir nicht wirklich sein können. In der realen oder fiktiven Welt spielt keine Rolle. Ob man träumt oder nicht träumt läuft dementsprechend auf das Gleiche hinaus. Für das Defizit gibt es keine Lösung, denn es ist kein Problem. Es ist die Triebfeder des menschlichen Daseins.

Fiktive bzw. reale Welt haben die Ausprägung immateriell bzw. materiell. Die Materialisten gieren nach Gegenständlichem, sehnen sich aber, wenn sie mal aus ihrer Suche nach jenem aufwachen, nach immateriellen Werten, die bei den Immaterialisten im Überfluss vorhanden sind. Diese sehnen sich aber wiederum nach Gegenständlichem, sobald sie aus ihrer Suche nach immateriellen Werten aufwachen.

Somit sind Träumen bzw. Wachsein, je nach Standpunkt, unterschiedliche Dinge. Zu Träumen und sich einer Illusion hinzugeben ist bei beiden, trotz unterschiedlicher Intentionen, der bevorzugte Zustand. Das Wachsein ist nur zum Kompensieren des Defizits nötig. Es ist notwendig zum Überleben, denn ohne dieses würde man sich in seinen Träumen verlieren. Das Wachsein erlaubt erst das Träumen und damit das Leben.

Inspiriert durch „The science of sleep“ (2006) R: Michel Gondry