11.07.2006

In Zürich sind es 30 Grad. Wer hätte das gedacht? In Düsseldorf sind es 26 und in Athen waren es heute 29. Zumindest gefühlte. Aber das ist jetzt Vergangenheit. Vergangenheit ist auch die WM und es wird alles so sein, wie es vorher war. Mehrere Stunden Flug und Wartezeiten treiben ihre Blüten. Es wurde vieles gelesen. Ist „Der Spiegel“ zu einem Satiremagazin verkommen? Die Geschichte über die fünf chinesischen Uiguren, die ihre in der chinesischen Bergregion Xinjiang gelegene Heimat als politisch Verfolgte verliessen und über die Höhlen Tora Boras in Afghanistan, letztendlich als vermeintliche Terroristen in Guantanamo Bay landeten, lässt zumindest einen leisen Verdacht aufkommen.

Gerade bot mir mein Sitznachbar (rechts) mehrere Blätter Papier an. Sehr aufmerksam! Ich lehnte dankend ab. Auf dem Flug Athen-Zürich, der aufgrund einer defekten Sauerstoffflasche eine Stunde Verspätung hatte, war eine betagte Stewardess angenehm freundlich zu mir. Das nahm mir meine geringe Flugangst. Ich würde beinahe sagen, wie im Flug! Die Brezeln in Zürich schmeckten übrigens grandios. Zusammen mit dem herrlichen Dialekt der Konditoreifachverkäuferinnen bildeten der Kauf und der Verzehr einen vollendeten Genuss. Gibt es eigentlich noch Flüge, wo geraucht werden darf? Ich hoffe nicht. Joschka Fischer zieht es in die USA. Schluss mit Politik! Wir werden ihn vermissen. Alles Gute du Vorzeigesponti! Mein Sitznachbar (links) schmatzt recht sinnentleert vor sich hin und das Fräulein, welches vor mir Platz nahm, rückt mir mit ihrem Sitz bedrohlich näher.

Der Flug ist gleich vorbei!
Sitz gerade!
Hörst du die Ansage nicht?

Mist, ich muss das Tischen einrücken (welch Verb?) und die Schossschreibweise ansetzen. Richtig multilingual hier. Die Oberstewardess heisst „Maitre de Cabine“, hinter mir wird Holländisch pallavert und Deutsch-, Englisch- und Französischbrocken entgingen auch nicht meinem Gehör. Nun gut, der Gang zum Klo brachte einiges zum Vorschein. Als Nachtisch gab es leicht-luftige Schweizer Schokolade. Es drängt sich die Frage auf, was es wohl in vergleichbaren Situationen auf Flügen einer thailändischen Fluggesellschaft gäbe. Der Druck in den Ohren nimmt extrem zu. Okay, manchmal ist das ja nicht so schlimm, wenn man bedenkt welchen Unsinn die Leute so reden, aber jetzt tut es weh. Ich kaue wie verrückt auf meinem „Trident-Splash“ mit Minzegeschmack, doch es nützt nichts.

Landeanflug!

Die Uiguren sind inzwischen auch gelandet. Nach mehrjähriger Wander- und Gefangenschaft hat sich Albanien [!] „bereit erklärt“ die Uiguren aufzunehmen. Ich bin auch froh endlich angekommen zu sein.

Inmitten der allerorts spürbaren Zeitknappheit und der dadurch resultierenden Eile, stellt ein Starbucks Coffee House eine Oase der Kontemplation dar. Hier wird nicht nur vorzüglicher Kaffee und Kuchen angeboten, nein hier findet auch die geplagte Seele Raum und Zeit zur Entspannung. Setzt man sich nämlich in einem der bequemen und molligen Sessel und lauscht den sanft ruhigen Hintergrundmelodien, ist man schon vor dem ersten Schluck Kaffee berauscht. Setzt man jetzt noch die mundgerechte Tasse an den Schnabel und gönnt sich das bis dato verweigerte, so ist es völlig um Einen geschehen.

1971 erblickte in Seattle das erste Starbucks das Licht der Welt, doch es sollte zwei lange Jahrzehnte dauern bis die grüne Meerjungfrau Flüsse, Seen und Kanäle durchschwommen und landesweit ihre grüne Häuschen abgelegt hatte. Danach wurde es ihr zu eng im heimatlichen Gefilde und sie verliess über die Westküste ihr geliebtes Seattle. 1996 kam sie in Japan an und ihr charmantes Werben konnte und wollte von der fernöstlichen Gastfreundlichkeit nicht negativ beschieden werden. Jetzt gab es auch in Nippon grüne Häuschen. Glückselig setzte sie ihre Reise über die Weltmeere fort und Starbucks war plötzlich allenthalben zu bewundern. In Taiwan, Neuseeland, Malaysia, China, Kuwait, Saudi-Arabien und vielen anderen Ländern. Kaum eine Kultur und kaum ein Breitengrad wurden ausgelassen. 1998 kam sie in Europa an. Zuerst im Vereinigten Königreich und ab 2002 endlich auch in Deutschland. Hier war man sich des allgegenwärtigen Graus schon lange überdrüssig und als symbolischer Akt wurde das erste Starbucks am Pariser Platz in Berlin, mit Blick auf das Brandenburger Tor platziert.

Dass Starbucks nicht nur ein simpler Coffee Shop ist, zeigt sich auch an der sozialen Verantwortung (Corporate Social Responsibility), die das Unternehmen übernimmt. Ein grosser Teil des verkauften Kaffees stammt aus fairem Handel mit ausgewählten Kleinbauern und insbesondere in Südamerika werden soziale Projekte, wie der Bau von Schulen, finanziert. Soziale Verantwortung wird auch direkt vor Ort in den grünen Häuschen gezeigt. Der oder die sogenannte Barista – sonst Bedienung, Kellner, Servicekraft oder auch Garcon genannt – baut, wie mir scheint je nach Bestellung, mit der Frage nach dem Vornamen eine direkte Beziehung zum Kunden auf. Der Name wird dann auf dem Plastikbecher vermerkt und der Kunde wird gerufen, sobald der leckere Trunk bereitsteht. Das kann aber mitunter zu empfindlichen Störungen im Betriebsablauf führen. Man stelle sich nur mal einen Finnen in Madrid vor, der dort seinen Urlaub verbringt und zufällig ein Starbucks entdeckt.

Barista: „What´s your Name Sir?“
Finne: „Nyyrikki Päiviö.“

Aus diesem Grunde bevorzugte ich bislang meinen nicht gerade einfachen griechischen Vornamen zu verleugnen (ausser in Athen natürlich) und mich als Pepe (in Barcelona und Madrid), Ulf (in Gesamtdeutschland), Ted (in London), Xavier (zugegebenermassen etwas lang aber am Züricher Flughafen musste das sein) vorzustellen. Für Island habe ich mir schon die schönen Namen Snorri und Ásmundur zurechtgelegt. Welchen ich benutzen würde, kann ich zu diesem Zeitpunkt beileibe nicht sagen. Vielleicht gerate ich auch nie in diese Situation, da Island weit weg liegt.

Möge die Erlösung der hübschen grünen Nixe auf sich warten lassen. Über 10000 Häuschen hat sie inzwischen weltweit abgelegt und wenn das Licht ihres Charmes weiterhin so hell leuchtet, wird aus dem blauen Planeten vielleicht mal der grüne Planet.