Bei der Europameisterschaft ((http://www.greekchess.com/euro2007/index.html)) haben nach 3 Runden die Slovenen dank eines stark spielenden Beliavsky erstmal die Führung übernommen. Morgen kommt es zum Duell gegen die bis dato ebenfalls verlustpunktfreien Russen. Die Damen aus Russland sind ebenfalls oben mit dabei und spielen morgen gegen die führenden Ungarinnen. Anbei zwei Kostproben aus der 1.Runde:

Beliavsky, Alexander G (2646) – Efimov, Igor (2446)
Team-Europameisterschaft Kreta, (1), 28.10.2007

Stellung nach 23…Tf7: 24.Sxg6!

Diagramm 2

24…Kxg6 25.e5+ f5 26.e6 Tff8 27.Sxf5 1-0

Mamedyarov, Shakhriyar (2752) – Gurevich, Mikhail (2627)
Team-Europameisterschaft Kreta, (1), 28.10.2007

Stellung nach 30…Dd6: Der junge Azeri hatte seinen erfahrenen Gegner total überspielt und zwang ihn mit seinem folgenden Zug zur Aufgabe.

Diagramm 1

31.Te6! 1-0

Bei der U-20 WM in Armenien heisst es nun Daumendrücken für die Deutschen. Georg Meier siegte in der 8.Runde und ist nun mit 6 Punkten Zweiter hinter dem Ägypter Ahmed Adly ((http://www.armchess.am/WJGCC07/wjgcc-sta-j8.html)). Auch Sarah Hoolt dürfte noch Chancen auf eine Medaille haben ((http://www.armchess.am/WJGCC07/wjgcc-sta-g8.html)), insbesondere wenn sie morgen die Nr.3 der Setzliste mit Weiss schlagen sollte mit Schwarz standhalten sollte. Ausserdem ist ihre Wertung überragend und bald hat sie von „oben“ fast alle durch schon gehabt. Anbei präsentiere ich die tolle Schlussattacke des führenden Adly aus seiner Partie gegen den starken Tschechen Laznicka aus der 8. Runde. Wahrscheinlich findet diese Kombi, die sehr schöne taktische Motive beinhaltet, Eingang in alle zukünftige Taktik-Lehrbücher.

Adly ,Ahmed (2494) – Laznicka ,Viktor (2610)
Weltmeisterschaft U-20 Herren (8), 11.10.2007

Diagramm 1

23.Sf6!! gxf6 24.Dh6+! Kg8 (24…Ke8? 25.Dxf6 Tg8 26.Sd6+ Kf8 27.Lh6+ Sg7 28.Sf5+-) 25.exf6 Nun droht 26.Se7+ nebst 27.Txe6 wonach Schwarz das Matt auf g7 nicht mehr verhindern könnte. 25…Te8 26.Lf4! Weiss baut an einem neuen Mattmotiv wie man gleich sehen wird. Es gibt keine Rettung mehr. 26…Tc8 (26…Scd4 27.Sxd4 cxd4 28.Txe6! fxe6 29.Dg5+ Kf8 30.Ld6+ Te7 31.Dg7+ Ke8 32.Dxh8+ Kf7 33.Dg7+ Ke8 34.Dg8#) 27.Ld6 Scd4

Diagramm 2

28.Dg7+!! Wunderschön! Das Matt nach 28…Sxg7 29.Sh6+ liess sich Schwarz nicht mehr zeigen. 1-0

Zur Zeit läuft ein sehr interessantes Open in Luxemburg ((http://www.lecavalier.lu/Kaupthing-Open-2007.htm)) mit hoher deutscher Beteiligung. Die Spielbedingungen und die Bewirtung sollen wohl ausgezeichnet sein. Es gibt eine Liveübertragung der ersten Bretter, aber die Partien werden nicht online gestellt, was das einzige Manko ist. Bester Deutscher ist nach der 6.Runde der Dortmunder Thomas Henrichs ((http://www.lecavalier.lu/KAUPTHING-A-RK6.HTM)).

Heute war ich das erste Mal in diesem Jahr live beim Sparkassen-Chess-Meeting ((http://www.sparkassen-chess-meeting.de/index.html)) in Dortmund dabei (anbei der Beweis)
Eintrittskarte
und ich muss zugeben (nicht, dass ich das jemals bezweifelt hätte), aber live dabei sein, ist qualitativ hochwertiger, als sich die Partien im Internet anzuschauen. Ausserdem trifft man bekannte Gesichter, wie den Gewinner des letztjährigen Opens IM Olaf Heinzel oder hält einen kurzen Plausch mit einem der Kommentatoren. Vor allem kommt man aber in den Genuss der Livekommentierung, die wie immer in den bewährten Händen von Dr. Helmut Pfleger und GM Klaus Bischoff liegt.

Ein Highlight war der Besuch von Papa Carlsen in der Sprecherkabine. Da er erstaunlich gut Deutsch spricht, musste der arme Mann, da wo er konnte, die vielen Fragen auch in dieser Sprache beantworten. Dabei kam es nicht selten zu interessanten Aussagen (ich weise ausdrücklich darauf hin, dass ich mich an dieser Stelle nicht lustig machen möchte):

Auf die Frage ob denn sein Sohn Magnus Carlsen nicht langsam müde werde, da er so viel spielt: „Ja, viele lange schwere Parteien.“
Auf die Frage wie er die gesamte Entwicklung seines Sohnes sieht: „Es ist ein Träum.“
Auf die Frage wie es mit der Freistellung von seinem Job aussieht: „Ja, dieses Jahr habe ich nur Schach gemacht. Das ist Spass.“

Man erfuhr auch wirklich interessante Tatsachen über seinen Sohn. Dass er z.B. drei Schwestern hat, die auch Schach spielen, oder dass sein Schulfreund Jon Ludwig Hammer (Elo 2346) gerade das parallel stattfindende Open ((http://www.schach-ticker.de/sparkassen_open07a_tabelle.html)) dominiert. Ausserdem spielt Magnus sehr gerne Fussball im Jugendteam von Lommedalen (Heimatstadt der Carlsens). Heute war Magnus etwas kränklich (entzündeter Hals). Das brachte Dr. Pfleger auf den Plan sich anzubieten: „Wenn sie etwas brauchen, ich bin Arzt, vielleicht kann ich ihnen eine Medizin empfehlen.“ Papa Carlsen: „Ja, vielleicht später.“

Später hat Magnus bestimmt mehr als nur Medizin gebraucht, denn heute wurde er vom Weltmeister Vladimir Kramnik ziemlich auseinandergenommen, der damit auch die alleinige Tabellenführung übernahm ((http://www.chess-international.de/ticker/chess_meeting2007/tabelle.html)). Imposant auch die Kramniksche Spielweise. Nachdem er einen Zug machte, stand er direkt auf und verschwand hinter die Bühne. Vielleicht hat er heute eine Stunde nachgedacht, aber bestimmt nicht mehr:

Kramnik,V (2772) – Carlsen,M (2698) [E05]
Sparkassen-Chess-Meeting (4), 2007

[Souleidis,Georgios]

1.Sf3 Sf6 2.c4 e6 3.g3 d5 4.d4 Le7 5.Lg2 0-0 6.0-0 dxc4 7.Dc2 a6 8.Dxc4 b5 9.Dc2 Lb7 10.Ld2 Sc6 11.e3 Sb4 12.Lxb4 Lxb4 13.a3 Le7 14.Sbd2 Tc8 15.b4 a5 16.Se5
Diagramm 1
16…Sd5? Schwarz muss irgendwas verwechselt haben, oder seine Vorbereitung beinhaltete ein dickes Loch, denn hierbei handelt es sich um eine Neuerung, die im höheren Sinne fast schon zu einer verlorenen Stellung führt. [16…Lxg2 17.Kxg2 c6 kam in Marin-Marciano, Bukarest 1993, vor. Es stellt sich die Frage, wo Weiss hier eine Verbesserung vorbereitet hatte.] 17.Sb3!± Natürlich, der Springer hüpft mit Tempo nach c6. 17…axb4 18.Sa5! La8 19.Sac6 Lxc6?! [19…Dd6 20.Lxd5 exd5 21.axb4± und die Springer sind den Läufern haushoch überlegen.; 19…De8 ist vielleicht noch am zähesten: 20.Lxd5 exd5 21.Sxe7+! Dxe7 22.axb4 Dxb4 23.Tfb1 De7 24.Txb5± Diese Stellung sollte technisch gewonnen sein für Weiss, da er über die klar bessere Leichtfigur und Bauernstruktur verfügt.] 20.Sxc6 Dd7
Diagramm 2
21.Lxd5! Ohne lange nachzudenken gespielt. Weiss verbleibt mit der besseren Leichtfigur. 21…exd5 22.axb4+- 22…Tfe8 [22…Ta8 23.Ta5+-] 23.Ta5 Lf8 24.Se5 De6 [Das Qualitätsopfer hätte auch nichts gebracht: 24…Txe5 25.dxe5 Lxb4 26.Ta7 Lf8 27.Tc1 b4 28.Txc7 Txc7 29.Dxc7+-] 25.Txb5 Tb8 [Mit 25…Lxb4 26.Txb4 c5 27.dxc5 Dxe5 hätte Schwarz noch ein wenig tricksen können, doch nach 28.Td1 verbleibt „nur“ noch die technische Verwertung des grossen Vorteils für Weiss.] 26.Txb8 Txb8 27.Dxc7 Ld6 [27…Txb4 28.Ta1 f6 29.Sd7+-]
Diagramm 3
28.Da5! Sehr präzise gespielt, da die Dame von hier auch die Grundreihenschwäche nicht ausser Acht lässt. 28…Lxb4? Ein Fehler in allerdings eh schon verlorener Stellung. [28…Lxe5 29.dxe5 Dxe5 30.Td1+- und Weiss gewinnt auch den Bauern d5.] 29.Tb1! Dd6 30.Da4 Nach diesem nochmaligen präzisen Zug sah Schwarz zu Recht keinen Grund weiterzukämpfen, da er nach 30…Lc3 31.Txb8+ Dxb8 32.Dc6 auch den Bauern d5 verliert. 1-0

Die Partien Alekseev-Leko und Gelfand-Mamedyarov endeten Remis und es scheint, dass keine der Parteien ernsthafte Gewinnchancen hatte. Allerdings muss das Endspiel der ersteren noch geprüft werden. Die längste Partie des Tages spielten der Inder Anand und der Lokalmatador Arkadij Naiditsch mit dem besseren Ende für die Nr.1 der Weltrangliste:

Anand,V (2786) – Naiditsch,A (2654) [C78]
Sparkassen-Chess-Meeting (4), 2007

[Souleidis,Georgios]

Diagramm 4
39…Le4+? Kurz vor der Zeitkontrolle begeht Schwarz den entscheidenden Fehler. Das logische 39…Tc2 hätte die Sache weiterhin spannend gestaltet. 40.Kg3 Tc2 Vielleicht hatte Schwarz übersehen, dass nach 40…Ld5 41.Sd4! für Weiss gewinnt. 41.Sf8!+- Bastelt an einem Mattnetz. 41…Ld3 41…Txc3+ verbietet sich wegen 42.Kh4 und Schwarz darf den Läufer nicht ziehen, weil f4 und g5 mit Matt folgt. 42.f4 Tc1 43.Tf7 Tg1+ 44.Kh3 Th1+ 45.Kg2 Le4+ 46.Kf2 Th3
Diagramm 5
Nun erwartete jeder 47.Txf6+ Kg7 48.g5+- doch Weiss spielt für die Gallerie. 47.Se6! Tf3+ 48.Ke2 Kg6 49.Tg7+ Kh6 50.f5! Txc3 50…Lxf5 51.gxf5 Txf5 52.Tg3+- 51.Tg6+ Kh7 52.Txf6 Lf3+ 53.Kf2 Lxg4 Es sieht so aus, als ob Weiss es verdaddelt hat, doch er hatte alles bis zum Schluss exakt berechnet.
Diagramm 6
54.Sg5+ Kg8 55.Tg6+ Kf8 56.Sh7+! Kf7 57.Txg4 1-0

Beim bärenstark besetzten Grossmeisterturnier in Foros ((http://www.ukrchess.org.ua/aerosvit2007/index_e.htm)) gelang dem Niederländer Loek van Wely in der 4.Runde eine sensationelle Partie gegen den Russen Jakovenko. Dario Mione hat sie auf seinem Blog ((http://midaschess.blogspot.com/2007/06/arvier-brunello-fights-for-gm-norm.html)) ausführlich analysiert. Nachspielen und geniessen.

Gleich drei Veranstaltungen von überregionalem Interesse finden derzeit in einem Gebiet statt, das im Wahrnehmungsradar der meisten Westeuropäer gar nicht auftaucht, im Kaukasus. Die russische Mannschaftsmeisterschaft, die vom Elo-Schnitt die stärkste der Welt ist (dafür muss ich den Rechenschieber gar nicht rausholen), findet in Sotschi am schwarzen Meer statt. Kramnik und Aronian spielen gerade ein Trainingsmatch mit verkürzter Bedenkzeit in Yerevan (Armenien) und in Baku (Aserbaidschan) findet ein prestigeträchtiges Open statt, an dem einige Top-Spieler aus dem Westen teilnehmen, u.a. die deutsche Nr.1 Arkadij Naiditsch.

Wer sich für die russische Mannschaftsmeisterschaft interessiert bitte hier klicken. Die Seite ist gut aufbereitet und man kann die Partien auch live verfolgen.

Wer sich hochklassige Schnellschachpartien anschauen möchte, der sollte hier klicken.

Das m.E. interessanteste Ereignis ist aber das II. internationale Schachfestival in Baku, welches zu Ehren des verstorbenen Ex-Präsidenten Heydar Aliyev stattfindet. Dessen Sohn Ilham Aliyev regiert seit 2003, nachdem er in demokratischen Wahlen mit über 80% der Stimmen vom Volk gewählt wurde. Nur böse Zungen behaupten, dass Aserbaidschan ein von Clans und der Mafia regiertes Land ist, den schliesslich ist Korruption ein Fremdwort, wie man der Statistik von Transparency International entnehmen kann.

Wie dem auch sei, die Petrodollars scheinen zu fliessen und es wird fleissig Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Der gute aber nicht berauschende Preisfond hat Spieler wie Nigel Short (!) und Loek van Wely bestimmt nicht ans Kaspische Meer geführt.

Das Turnier befindet sich erst in der dritten Runde uns so gibt es noch nichts Besonderes zu berichten. Sobald die Meister aufeinandertreffen, werde ich zur Stelle sein, insbesondere um zu sehen was die deutsche Nr.1 macht.

Zur Überbrückung offeriere ich die Schnellschachpartie aus der 1.Runde zwischen Kramnik und Aronian. In einer der meistgespielten Varianten des Marshall-Gambits packte Vlad mit 19.f3!? eine Neuerung aus – zumindest finde ich diesen Zug in meinen Datenbanken nicht – und gewann. Auf jeden Fall wirkt sein Spiel sehr überzeugend.

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